EU übt vor Gipfeltreffen mit Premier Li Keqiang erneut deutliche Kritik an China
China Update 7/2019
METRIX
Das ist die Anzahl der Landkarten, die letzte Woche in der Hafenstadt Qingdao (Provinz Shandong) geschreddert wurden, da sie Taiwan als unabhängiges Land zeigten. Medienberichten zufolge vernichteten die Behörden an einem geheimen Ort mehr als 800 mit diesen Landkarten gefüllte Kisten. Die englischsprachigen Karten waren für den Export bestimmt und von Zollbeamten entdeckt worden. Beijing betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und erhöht seit einiger Zeit den Druck auch auf ausländische Firmen, die die Insel nicht als Teil von China bezeichnen.
Thema der Woche
EU übt vor Gipfeltreffen mit Premier Li Keqiang erneut deutliche Kritik an China
Nur eine Woche vor dem jährlichen EU-China Gipfel hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die chinesische Handels- und Investitionspolitik scharf kritisiert. In einer Rede am 1. April vor dem saarländischen Landtag sagte Juncker, dass „es nicht so bleiben kann, dass chinesische Unternehmen freien Zugang zu unseren Märkten in Europa haben, wir aber nicht zu den Märkten in China“.
Zudem machten chinesische Investitionen in EU-Mitgliedstaaten es für die EU schwerer, eine gemeinsame Außenpolitik zu entwickeln. „Ein Land sieht sich nicht im Stande, die Menschenrechtspolitik der Chinesen zu verurteilen, weil in einem seiner Häfen chinesischen Investoren unterwegs sind,“ sagte Jucker weiter, „so kann das nicht gehen“.
Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk werden zusammen mit der EU-Außenbeauftragten Frederica Mogherini am 9. April in Brüssel das 21. Gipfeltreffen mit China ausrichten. Die chinesische Delegation leitet Premierminister Li Keqiang.
Während des Treffens wird die EU mit ihrem zweitgrößten Handelspartner vor allem über die Investitions- und Handelsbeziehungen beraten. Zu den Kernforderungen der EU gehören ein besserer Zugang zum chinesischen Markt, Fortschritte bei den WTO-Reformen – einschließlich Regeln zu Industriesubventionen – und mehr Tempo bei den Verhandlungen über das geplante Investitionsabkommen, das die EU bis 2020 mit China abschließen möchte.
Die Sicherheit von 5G-Netzen – also der nächsten Mobilfunkgeneration – steht ebenfalls auf der Agenda. Die EU-Kommission hatte letzte Woche nach mitunter hitzigen Debatten in Europa über das Für und Wider der Beteiligung des chinesischen Technologiekonzerns Huawei am 5G-Ausbau eine Reihe von Empfehlungen veröffentlicht, um auf eine gemeinsame europäische Position hinzuwirken. Es wird außerdem erwartet, dass die EU-Vertreter mit ihren chinesischen Gästen globale Themen wie den Klimawandel beraten werden, ein Gebiet bei dem eine enge Zusammenarbeit mit China als dringend notwendig angesehen wird.
Erst vergangene Woche war Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Paris mit dem französischen Präsidenten Emanuel Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Juncker zusammengekommen. Deutschland, Frankreich und die EU-Kommission drängen darauf, die europäische Chinapolitik besser zu koordinieren.
Die Kritik an China hat in den letzten Monaten in der EU und in einzelnen europäischen Staaten deutlich zugenommen. In einem Diskussionspapier im März bezeichnete die EU-Kommission China sowohl als Partner als auch als wirtschaftlichen Wettbewerber und „Systemrivalen“. Vermehrt gibt es Bedenken angesichts chinesischer Investitionen in strategisch wichtige Industriezweige und Beijings zunehmendem Einfluss in Europa.
Diese Bedenken werden nicht von allen EU-Mitgliedsländern geteilt. Italien beispielsweise enthielt sich kürzlich bei einer Abstimmung über einen neuen EU-Prüfmechanismus für ausländische Investitionen und trat im März als erstes EU-Gründungsland der Seidenstraßen-Initiative bei – Chinas außenpolitischem Schlüsselprojekt zur Verbesserung von Handels- und Infrastrukturverbindungen. Juncker sagte in seiner Rede in Saarbrücken, dass er die Initiative nicht ablehne, „wenn die Bedingungen stimmen“. Wenn auch europäische Firmen profitieren können und „wenn nicht nur chinesische Arbeiter auf diesen Baustellen anzutreffen sind, sondern auch europäische Arbeitskräfte dort beschäftigt werden, dann geht das alles.“
Die europäische Einigkeit wird direkt nach dem Gipfel in Brüssel auf die Probe gestellt: Li Keqiang reist dann weiter in die kroatische Küstenstadt Dubrovnik zu einem Treffen mit 16 zentral- und südosteuropäischen Staaten. Das Format, allgemein als 16+1 bezeichnet, ist in der EU umstritten. Kritiker sehen in den chinesische Handels- und Investitionsversprechen auf den 16+1-Treffen den Versuch die EU zu spalten. Andere merken an, dass die Treffen an Fahrt verloren hätten, da viele Versprechen nicht umgesetzt wurden.
MERICS-Analyse: China meets tougher EU at annual summit. Blogbeitrag von Rebecca Arcesati.
China und die Welt
Taiwan verurteilt Chinas Grenzüberschreitung
Taiwan hat China der Provokation beschuldigt, nachdem zwei chinesische Kampfflugzeuge die Seegrenze in der Taiwanstraße überquert haben. „Es war eine absichtliche, rücksichtslose und provokative Aktion“, betonte der taiwanische Außenminister auf Twitter. Der Zwischenfall am vergangenen Sonntag war der erste dieser Art seit Jahren und vermutlich der erste absichtlich herbeigeführte seit zwei Jahrzehnten. Die Taiwanische Luftwaffe wurde daraufhin in Alarmbereitschaft versetzt. Taiwan kündigte an, im Falle weiterer Grenzüberschreitungen würden die chinesischen Jets „gewaltsam vertrieben“. China kommentierte den Zwischenfall bislang nicht.
Die Seegrenze gilt weithin als Grenzlinie, die die Taiwanstraße durchzieht und beide Seiten voneinander trennt. Der Zwischenfall ereignete sich eine Woche nachdem ein Zerstörer und ein Boot der US-Küstenwache die Taiwanstraße durchquert hatten. Obwohl es sich um eine internationale Wasserstraße handelt, reagiert China häufig ungehalten, wenn Schiffe der USA oder anderer westlicher Staaten die Taiwanstraße durchqueren.
In den vergangenen Jahren hat China wiederholt Militärflugzeuge und Flugzeugträger entsandt, um Taiwan einzukreisen, und versucht außerdem die Insel diplomatisch zu isolieren. Beijing betrachtet Taiwan als Teil des chinesischen Territoriums und hat nie die Möglichkeit einer gewaltsamen Wiedervereinigung ausgeschlossen. Seit der Wahl der Beijing-skeptischen taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-Wen 2016 hat Chinas Partei- und Staatschef den Druck weiter erhöht. Zuletzt sprach Xi im Rahmen seiner Neujahrsansprache im Januar davon, dass das Jahr 2049, wenn sich die Gründung der Volksrepublik zum 100. Mal jährt, der äußerste Stichtag für die Wiedervereinigung sei. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in Taiwan im kommenden Jahr dürfte Beijing den Druck auf Taiwan weiter verstärken.
Neuseeländische Premierministerin spricht bei Treffen mit Xi Jinping kritische Themen an
Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern nutzte ihren Kurzbesuch in Beijing, um die bilateralen Beziehungen inmitten eines Streits über den Telekommunikationskonzern Huawei aufzubessern.
Während ihres ersten China-Besuchs traf Ardern Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping und Premierminister Li Keqiang. Dabei wiederholte sie Neuseelands Bekenntnis zu einer umfassenden strategischen Partnerschaft der beiden Länder und bezeichnete China als Neuseelands „wichtigste und weitreichendste Beziehung“.
Sie sprach auch Chinas Umgang mit den Uighuren und anderen muslimischen Minderheiten in der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang an, wo Berichten zufolge rund 1,5 Mio. Menschen in Lagern und sogenannten “Umerziehungscamps” festgehalten werden. Xi Jinping wiederum erwähnte gegenüber Ardern, dass Neuseeland keine chinesischen Unternehmen diskriminieren solle.
Neuseeland hat sich stets darum bemüht, enge Beziehungen zu China, seinem wichtigsten Handelspartner zu pflegen. Aber das Verhältnis war nach der Wahl Arderns 2017 abgekühlt. Ihre Regierung hat sich offen gegen Chinas wachsenden Einfluss im Südpazifik ausgesprochen. Die Beziehungen hatten sich weiter verschlechtert, nachdem das neuseeländische Regierungsbüro für Kommunikationssicherheit Huawei untersagt hatte, Spark, eines der größten Telekommunikationsunternehmen des Landes, mit 5G-Technologie auszustatten. Neuseeland ist auch Teil der Five-Eye-Partnerschaft, einer Geheimdienstallianz mit den USA, Kanada, Großbritannien und Australien. Enge Sicherheitsbeziehungen mit den USA einerseits und enge Handelsbeziehungen mit China andererseits zu vereinen, ist in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden.
Kurz gemeldet
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Innenpolitik, Gesellschaft und Medien
Hongkong plant trotz Kritik neue Auslieferungsgesetze
Die Hongkonger Regierung hat in dieser Woche zwei umstrittene Änderungsanträge vorgestellt, durch die es künftig möglich sein soll, Verdächtige an Festlandchina auszuliefern. Aktivisten und führende Wirtschaftsvertreter kritisieren die geplante Änderung scharf. Sie fürchten eine weitere Aushöhlung der Rechtssicherheit in der Sonderverwaltungszone. Mehrere Tausend Hongkonger haben am Wochenende gegen die Pläne der Regierung demonstriert.
Die Änderungsvorschläge, die am 3. April dem Hongkonger Parlament (Legislativrat) vorgelegt wurden, sehen vor, dass der Regierungschef die Auslieferung von polizeilich gesuchten Verdächtigten nach Festlandchina, Macao, Taiwan sowie in Länder, mit denen es derzeit ebenfalls kein Auslieferungsabkommen gibt, anordnen kann. Dabei soll die bisher vorgeschriebene Einzelfallprüfung durch den Legislativrat entfallen, Hongkonger Gerichte sollen entsprechende Anordnungen allerdings anfechten und Berufung einlegen können.
In Gang gesetzt wurde der Vorstoß durch einen Mordfall in Taiwan im vergangenen Jahr. Damals konnten die Hongkonger Behörden eigenen Aussagen nach den Verdächtigen mangels eines offiziellen Abkommens und der „inpraktikablen“ Einzelfallprüfung nicht nach Taiwan ausliefern. Regierungsvertreter betonen, dass Hongkong keine Personen in die Volksrepublik ausliefern würde, denen die Todesstrafe, Folter oder ein politisches Verfahren drohen.
Kritiker sehen in den neuen Auslieferungsgesetzen eine weitere Schwächung der Unabhängigkeit des Rechtsstaats in Hongkong. Sie äußerten Bedenken über das chinesische Rechtssystem sowie den Einsatz von Folter und Misshandlung und verwiesen darauf, dass faire Verfahren auf dem Festland nicht gewährleistet seien. Internationale Menschenrechtsorganisationen forderten die Hongkonger Regierung auf, die Änderungsanträge zu verwerfen. Diese werden nun in einem Ausschuss des Legislativrats diskutiert und voraussichtlich noch in diesem Jahr verabschiedet.
Eliteuniversität suspendiert Juraprofessor nach Kritik an Xi Jinping
Die Beijinger Tsinghua-Universität hat einen bekannten Jura-Professor suspendiert, der im vergangenen Jahr mit Kritik an der zunehmenden Repression unter Partei- und Staatschef Xi Jinping für Aufsehen gesorgt hatte. Medienberichten zufolge hat die Universität Untersuchungen gegen Xu Zhangrun eingeleitet und ihn von allen Lehr- und Forschungsaufgaben enthoben.
Xus Fall hat unter Schriftstellern, Künstlern und Wissenschaftlern der Tsinghua-Universität für Kritik gesorgt. Sie sehen in Xus Suspendierung ein weiteres Zeichen für die schwindende akademische und intellektuelle Freiheit im Land. Die Universität hat den Fall nicht kommentiert; Xus Profil ist weiter über die Tsinghua-Webseite erreichbar. Beiträge über Xu in Chinas sozialen Medien wurden jedoch rasch entfernt. Von den chinesischen Medien berichtete nur die englischsprachige Global Times über den Fall. Die parteistaatliche Zeitung bezeichnete Xus Ansichten als „extrem“ und mahnte, dass Kritik an der Regierung „konstruktiv“ zu sein habe.
Bekanntheit erlangte Xu im Juli 2018, als er in einem online veröffentlichten Essay den Personenkult um Xi Jinping und dessen totalitäre Tendenzen kritisierte. Er warnte damals vor der Rückkehr zu einer repressiven Politik und deren möglicherweise desaströsen Folgen für das Land. Trotz der umfassenden Zensur wurde Xus Essay, der die Sorgen zahlreicher chinesischer Intellektueller widerspiegelt, vielfach geteilt.
Die Suspendierung Xus ist kein Einzelfall. Voice of America berichtete, dass im März ein Professor an der Chongqinger University of Education suspendiert wurde. Tang Yun wird vorgeworfen, das „Image Chinas beschädigt“, gegen die „politische Disziplin“ verstoßen und Lehrer und Studenten in „unzulässiger Weise beeinflusst“ zu haben.
Kurz gemeldet
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Wirtschaft, Finanzen und Technologie
Grünes Licht für ausländische Banken: Wertpapier-Joint Ventures mit Mehrheitsbeteiligung
Die beiden Finanzdienstleister JP Morgan und Nomura haben von den chinesischen Behörden grünes Licht für die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen mit Mehrheitsbeteiligung erhalten. UBS hatte bereits im November 2018 die Genehmigung für eine 51 Prozent-Beteiligung bekommen. Die Forderung steht seit langem auf der Wunschliste ausländischer Investoren.
Die Ankündigung wird von Beobachtern als Zugeständnis zur weiteren Öffnung des chinesischen Finanzmarktes gewertet. So versucht China einerseits, die Reformbestrebungen fortzusetzen, indem es die Verschuldung reduziert und gleichzeitig den Markt für ausländische Finanzdienstleister öffnet. Dies könnte die Kapitalallokation verbessern, weil der Wettbewerb gestärkt wird. Ausländische Finanzdienstleister gelten im Vergleich zu ihren chinesischen Mitbewerbern als unabhängig von den Direktiven der chinesischen Führung.
Wertpapierunternehmen fungieren als Mittler, die Wertpapiere im Auftrag ihrer Kunden kaufen oder verkaufen oder Portfolios ihrer Kunden (darunter institutionelle Investoren) verwalten. Sie gelten als erstes Einfallstor für ausländisches Kapital.
Boao Forum: Verliert Chinas Antwort auf Davos an Strahlkraft?
Das Weltwirtschaftsforum im Schweizer Alpenort Davos zieht Jahr für Jahr führende Politiker und Wirtschaftsexperten aus der ganzen Welt an. Die chinesische Antwort darauf, ein jährliches Treffen auf der Tropen-Insel Hainan, hat seine Anziehungskraft möglicherweise verloren. Beim diesjährigen Boao Forum for Asia vom 26. bis 29. März nahmen nur wenige internationale Spitzenvertreter aus Politik und Wirtschaft teil. Der Schwerpunkt des Forums lag diesmal auf der lokalen und regionalen Entwicklung.
Dabei dürfte auch der Zeitpunkt des Treffens und der noch immer ungelöste Handelsstreit zwischen China und den USA eine Rolle gespielt haben. Staats- und Parteichef Xi Jinping – im letzten Jahr Hauptredner in Hainan – war auf Europareise, während andere hochrangige Vertreter für Handelsgespräche mit den USA in Beijing blieben. Beobachter zeigten sich verwundert darüber, dass Diskussionen über Chinas Freihandelszonen, einem zentralen Projekt von Chinas Versprechen, sich wirtschaftlich weiter zu öffnen, kurzerhand hinter verschlossenen Türen stattfanden. Auch die Eröffnungsrede von Ministerpräsident Li Keqiang wurde – anders als in den Jahren zuvor - nicht live im Fernsehen übertragen.
Auf der Teilnehmerliste des viertägigen Treffens standen zwar 2000 Delegierte, ranghohe internationale Vertreter suchte man auf ihr allerdings vergebens. Ein starker Kontrast zu 2018, als sechs Staatschefs anwesend waren und die geschäftsführende Direktorin des IWF, Christine Lagarde, und UN-Generalsekretär Antonio Guterres am Rednerpult standen.
Das Boao Forum wurde 2002 ins Leben gerufen, um Chinas Bedeutung als aufstrebende Macht zu untermauern und Asiens Rolle in der globalisierten Welt zu stärken. Seitdem ist Beijing bemüht, das Forum auf der internationalen Bühne zu etablieren, konnte die Bedenken über den mangelnden internationalen Charakter der Veranstaltung aber bislang nicht ausräumen. Teilnehmer des diesjährigen Treffens beklagten zudem, dass politische Einflussnahme und bürokratische Hürden eine Konzentration auf die eigentlichen Themen, Wirtschaft und Handel, erschwerten.
Kurz gemeldet
- Wirtschaft: China prangert Lokalregierung an, die ausländische Investoren benachteiligen
- Elektroautos: Daimler und Geely wollen neuen Smart in China bauen
- Flugzeuge: Chinesischer Airbus-Großauftrag besteht zum Teil aus alten Bestellungen
- Energie: Siemens und SPIC wollen Gasturbine für chinesischen Markt entwickeln
Im Profil
Vorzeitiges Karriereende von Chinas Internetzar Lu Wei
Er war der Mann, der weltweit das Internet durch Zensur verändern wollte. Als er im Juni 2016 von einem Tag auf den anderen von der Spitze der einflussreichen Cybersicherheitsbehörde abberufen wurde, vermuteten zunächst einige, Lu Wei würde weiter aufsteigen in den Reihen der KPC. Doch es kam anders: Erst wurde er angeklagt, dann aus der Partei ausgeschlossen. Ende März wurde der 59-jährige nun wegen Korruption zu 14 Jahren Haft und einer Geldstrafe von 3 Mio. CNY (447.000 USD) verurteilt. Die Zentrale Disziplinarkommission der KPC beschuldigte ihn der Illoyalität, mangelnder Selbstkontrolle und des Machtmissbrauchs. In all seinen letzten Positionen habe er seine Macht missbraucht und sich persönlich bereichert.
Gelegenheit dazu dürfte der einstige Vizepropagandachef Lu genug gehabt habe, spätestens nachdem er 2014 die Führung der neugegründeten Cyberverwaltung übernommen hatte. Das Magazin Time kürte Lu 2015 zu einem der 100 einflussreichsten Männer. Er, der die größte Internetbevölkerung der Welt in ihre Grenzen wies, wurde international umgarnt, auch von Unternehmern wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Denn Lu war das Gesicht der chinesischen Internetzensur.
Lus Verhaftung verdeutlichte 2017, dass Xi Jinping auch in seiner zweiten Amtszeit die Anti-Korruptionskampagne fortsetzen wollte und dabei auch vor Vertretern der obersten Staats- und Parteiführung nicht zurückschreckte. Lu hat seine Verurteilung chinesischen Berichten zufolge akzeptiert, so wie er zuvor bereits seine Taten eingeräumt hatte. Anlässlich des 40. Jahrestages der Reform- und Öffnungspolitik war im vergangenen Jahr in einer Beijinger Ausstellung ein angeblich handschriftlicher Brief von Lu gezeigt worden, in dem seine Reue zum Ausdruck komme.