China-Central Asia Summit in Xian on May 19, 2023
MERICS Briefs
MERICS China Essentials
13 Minuten Lesedauer

China-Zentralasien- und G7-Gipfel + Lokaler Protektionismus + Micron

Top Thema

Wettbewerb um Koalitionen auf China-Zentralasien und G7-Gipfel

Der Wettbewerb um Koalitionen zwischen dem Westen und China hat sich vergangene Woche einmal mehr deutlich gezeigt. China lud zum China-Zentralasien-Gipfel nach Xi’an, zeitgleich zum Treffen der G7 in der japanischen Stadt Hiroshima. 

Auf dem sogenannten C+C5-Treffen trafen sich Chinas Staatschef Xi und die Präsidenten aus Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan erstmals persönlich, seit das Format 2020, also mitten in der Coronapandemie, ins Leben gerufen wurde. Die fünf Länder gelten als potenziell wichtige Verbündete Beijings in internationalen Foren wie den Vereinten Nationen. Die zentralasiatischen Staaten sind zudem vielversprechende Abnehmer von durch China finanzierte Infrastruktur. 

Der Tagungsort Xi’an gilt als Ursprungsort der antiken Seidenstraße, in Kasachstan rief Xi 2013 offiziell die Neue Seidenstraßen-Initiative aus. Auf dem aktuellen Gipfeltreffen ging es vor allem um die Stärkung regionaler und bilateraler Beziehungen durch den Ausbau von Infrastrukturverbindungen. Das Treffen hatte auch eine sicherheitspolitische Dimension: China wollte sich als Stabilitätsgarant in der geopolitisch bedeutsamen Region präsentieren und gleichzeitig für Unterstützung für seine Haltung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine werben.

Obwohl alle Länder bereits durch vielfältige und zunehmende Infrastrukturverbindungen miteinander verflochten sind, unterscheidet sich ihre Zusammenarbeit mit China, was sich auch an den Ergebnissen des Treffens ablesen lässt. Die vereinbarten bilateralen Kooperationen reichen von Handel und Wirtschaft über Finanzen und Militärzusammenarbeit bis hin zu Tourismus. Kirgistan und Usbekistan beschlossen jeweils eine „umfassende strategische Partnerschaft in einer neuen Ära“ mit China, was als Ausdruck vertiefter Beziehungen gewertet werden kann.

China ist bemüht, regionale Verbündete in seine wirtschaftliche Einflusssphäre zu ziehen, während sich auf dem G7-Gipfel liberale Demokratien bei einigen China-Themen auf gemeinsame Ansätze verständigten. Dazu zählte das Konzept der Risikominimierung, das zuletzt in Europa und den USA immer häufiger Erwähnung fand – der Stärkung der Resilienz von Lieferketten, um die Gefahren wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen zu verringern.

Die G7-Abschlusserklärung enthält teils harte Formulierungen zu China. Zum Beispiel soll eine gemeinsame Plattform geschaffen werden, die wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen von Seiten Chinas beobachtet, abschreckt und diesen entgegentritt, darunter „böswillige Handlungen“ und „illegitime Einflussnahme“ auf globale Lieferketten. Kurz vor dem Treffen in Japan veröffentlichte China einen Bericht zu „Diplomatischen Zwangsmaßnahmen der USA und deren Gefahren“. Beijing wirft den USA vor, „andere Länder zu auf Zwang setzender Diplomatie anzustiften“. Der Bericht zeigt, dass China die G7 nicht nur ablehnt, sondern eine eigene Agenda als Alternativformat entwickelt.

China reagierte gewohnt scharf auf das G7-Treffen: auf der Pressekonferenz des Außenministeriums warf Beijing den G7 vor, „den internationalen Frieden zu behindern, die regionale Stabilität zu unterlaufen und die Entwicklung anderer Länder zu hemmen“. Der stellvertretende Außenminister Sun Weidong brachte seine „starke Unzufriedenheit und resolute Ablehnung” über zahlreiche Aussagen der G7 zum Ausdruck. 

MERICS-Analyse: „Die Ergebnisse des G7-Gipfels und des Treffens zwischen China und den zentralasiatischen Ländern zeigen, der Wettbewerb zur Bildung und Stärkung von Koalitionen ist in vollem Gange,“ sagt MERICS-Expertin Barbara Pongratz. „Der China-Zentralasiengipfel, der erste von insgesamt drei geplanten in diesem Jahr, ist ein deutliches Signal, dass China die Region enger an sich binden will. Das macht es wahrscheinlicher, dass sich diese Länder mit China zusammenschließen, etwa bei Abstimmungen über UN-Resolutionen. Die Ergebnisse des G7-Gipfels zeigen wiederum, dass sich die Gruppe zu China künftig noch enger abstimmen wird.” 

Medienberichte und Quellen:

Metrix

64

Als die Hongkonger Zeitung „Ming Pao“ am 20. Mai ihren Gründungstag feierte, wurde ihr in mehreren Anzeigen zum nahenden „65.“ gratuliert – dabei wird sie erst 64. Nun wird spekuliert, dass die Werbefachleute die Hervorhebung der Zahlen 6 und 4 tunlichst vermeiden wollten. Die Ziffern werden mit der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989 assoziiert. Die jährliche „6/4“-Demokratie-Mahnwache wurde 2020 unter Anwendung des neuen Hongkonger Gesetzes für nationale Sicherheit untersagt. Offenbar stufen jetzt manche schon allein die Verwendung der Ziffernkombination als problematisch ein, selbst in völlig anderen Kontexten. (Quelle: Zaobao

Themen

Beijing sagt Protektionismus auf Provinzebene den Kampf an

Die Fakten: Chinas Ministerpräsident Li Qiang hat auf einem Treffen des Staatsrats am 19. Mai die Bedeutung eines einheitlichen Binnenmarktes in den Mittelpunkt gerückt. Li sagte, der Protektionismus lokaler Regierungen sei ineffizient und erschwere die Kooperation zwischen Provinzen. Er forderte den Abbau von Hindernissen für wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Regionen, etwa bei Eigentumsrechten, Marktzugang und Wettbewerb. Regionaler Protektionismus zeigt sich in China unter anderem in der Bauwirtschaft. Lokalregierungen bevorzugen etwa bei Bauprojekten regionale Dienstleister und Lieferanten. Im Bereich der E-Mobilität gab es in den 2010er Jahren Taxiunternehmen, die auf regionale Marken umstiegen, um die dortige Nachfrage in die Höhe zu treiben. 

Der Blick nach vorn: Regionaler Protektionismus behindert die Entwicklung von Chinas Binnenmarkt und das Erreichen zentraler Wirtschaftsziele bei Produktivität und Konsum. Er bindet auch Ressourcen, die Chinas nationale Champions im Ausland stärken oder helfen könnten, die von Xi Jinping forcierte technologische Unabhängigkeit voranzutreiben. Einen einheitlichen nationalen Markt zu schaffen, könnte dennoch schwierig sein: Provinzregierungen und die Beamten in den Regionen konkurrieren auch miteinander, denn sie müssen bestimmte wirtschaftliche Zielvorgaben erreichen. 

MERICS-Analyse: „Die Integration des Binnenmarkts zählt seit Jahrzehnten zu den Prioritäten der Kommunistischen Partei. Doch obwohl Beijing die mit dem Ausbau von erstklassiger Infrastruktur die ‚Hardware‘ dafür geschaffen hat, hat sich die ‚Software‘ in zentralen Sektoren nur minimal verbessert. Regionale Regierungen und lokale Unternehmen verfolgen eigene Interessen und möchten den Status Quo beibehalten,“ sagt MERICS-Experte Jacob Gunter. „Doch könnte es dieses Mal tatsächlich anders kommen, denn Xi hat seine Macht in einem Maß gefestigt, dass er bestehende Hindernisse überwinden könnte.“

Mehr zum Thema: Is this time different? The structural economic reform challenges for Xi’s 3rd term. MERICS Studie von François Chimits, Gregor Sebastian, Jacob Gunter und Max J. Zenglein.

Medienberichte und Quellen:

Verbot von Micron-Chips könnte für China auch Nachteile haben

Die Fakten: Chinas oberste Cyberaufsicht (CAC) hat unter Berufung auf das Cybersicherheitsgesetz von 2017 Betreibern kritischer Informationsinfrastruktur den Einsatz von Micron-Speicherchips untersagt. Im April hatten Chinas Behörden Untersuchungen gegen den US-Hersteller eingeleitet. Micron und die chinesische Regierung befinden sich bereits seit 2018 im Konflikt. Damals verklagte das US-Justizministerium den chinesischen Speicherchip-Hersteller Fujian Jinhua Integrated Circuits wegen Diebstahls geistigen Eigentums von Micron. Fujian Jinhua und das angeblich beteiligte taiwanische Unternehmen UMC befinden sich seither in verschiedenen Rechtsstreitigkeiten mit Micron, in deren Verlauf chinesische Gerichte den Verkauf bestimmter Micron-Chips untersagten. Laut chinesischen Beobachtern soll sich Micron bei der US-Regierung für Exportbeschränkungen von Halbleitern (auch Speicherchips) nach China stark gemacht haben.

Der Blick nach vorn: Micron ist weniger abhängig vom chinesischen Markt als andere Unternehmen. Es erwirtschaftet dort zwischen elf und 16 Prozent seines Umsatzes, der Branchen-Durchschnitt liegt bei 30 Prozent. In Zukunft könnten selbst chinesische Unternehmen, die nicht mit kritischen Informationsinfrastrukturen zu tun haben, vorsorglich auf Micron-Chips verzichten, insbesondere da es koreanische oder chinesische Alternativen gibt. Tokio hat unteressen angekündigt, ein neues Micron-Werk mit 5 Mrd. USD zu subventionieren. Der US-Botschafter in Japan bezeichnete das als einen Schritt, „der Ausübung wirtschaftlichen Zwangs durch China“ etwas entgegenzusetzen – ein Thema, das auch in der Abschlusserklärung des G7-Gipfels in Japan vergangene Woche betont wurde.

MERICS-Analyse: „Chinas Verbot von Micron-Chips zeigt, dass die Regierung das Cybersicherheitsgesetz auch willkürlich gegen unliebsame Unternehmen einsetzen wird. Wegen US-Exportkontrollen ist es für China immer ein Risiko für die Lieferkettensicherheit, von amerikanischen Halbleiterunternehmen abhängig zu sein. Weil Micron-Chips durch Alternativen aus China oder Südkorea leicht ersetzbar sind, wird sich das Verbot nicht direkt negativ auf Chinas wirtschaftliche Entwicklung auswirken,“ sagt MERICS-Expertin Antonia Hmaidi. „Dennoch könnte die Entscheidung auch negative Folgen für China haben, weil andere Unternehmen ein ähnliches Schicksal befürchten müssen. Es gibt erste Anzeichen, dass manche G7-Staaten den Fall Micron zum Anlass nehmen, um ihre Instrumente zum Umgang mit wirtschaftlichem Druck aus China zu erweitern.”

Medienberichte und Quellen:

Verschärfter Druck auf Meinungsvielfalt in Hongkong

Die Fakten: Kurz vor dem Jahrestag der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz am 4. Juni 1989 sind in Hongkong wichtige Informationskanäle eingeschränkt worden. Die Bibliotheken entfernten Bücher über das harte Durchgreifen Beijings gegen die Demonstranten im Jahr 1989 aus ihren Beständen oder schränkten den Zugang ein. Gleichzeitig suspendierte die Zeitung Ming Pao den Karikaturisten Wong Kei-kwan, auch bekannt als Zunzi, dessen politische Karikaturen seit 40 Jahren in dem bekannten Blatt erschienen waren.

Der Blick nach vorn: Zwar dürfen Buchläden die zensierten Titel weiterhin verkaufen, doch verdeutlicht die Entfernung der Titel aus den Bibliotheken das Bestreben der Hongkonger Regierung, die öffentliche Thematisierung „sensibler“ Themen zu erschweren. Hunderte Bücher, auch von prominenten Politikern, wurden auf der Grundlage des Nationalen Sicherheitsgesetzes von 2020 „zur Überprüfung“ aus den Bibliotheken entfernt. Aus Angst vor Repressionen haben bereits zahlreiche Journalisten, Künstler, Lehrer und Akademiker ihre Stellen aufgegeben oder sind ins Ausland emigriert, die Abwanderung gut ausgebildeter Hongkonger dauert an.

MERICS Analyse: „Für Einheimische, Ausländer und viele Festlandchinesen war Hongkong einmal der Ort, an dem sie Themen ansprechen konnten, die für das Festland zu heikel waren. Aber diese Freiheit schrumpft immer weiter“, sagt MERICS-Analystin Sophie Reiß. „Die Kontrolle von Informationen, Bildung und Veröffentlichungen untergräbt diesen Freiraum zunehmend. Dies beeinflusst die Identität und die Zivilgesellschaft Hongkongs, und wirkt sich auch auf die Forschung und die generelle Berichterstattung über China aus.“

Medienberichte und Quellen:

Vis-à-vis

Mikko Huotari zu Chinas neuen Anti-Spionage Regeln

MERICS China Briefing sprach mit Institutsdirektor Mikko Huotari über Chinas neues Anti-Spionagegesetz. 

Sind ausländische Unternehmen zurecht besorgt über das verschärfte Vorgehen Chinas gegen „Spionage“?

Leider ja. Chinas Behörden haben zuletzt nicht nur eine Reihe von ausländischen Beratungsfirmen durchsucht. Ab dem 1. Juli wird die Revision des Anti-Spionagegesetztes eine breitere Anwendung des Begriffs Spionage erlauben. Das setzt Ausländer – und deren chinesische Kontakte – größeren Gefahren aus. Während die revidierte Fassung des Gesetzes von 2014 die Weitergabe von Staatsgeheimnissen und Geheimdienstinformationen umfasste, werden nun sehr allgemein der Besitz von „Dokumenten, Daten, Materialien und Gegenständen, die Chinas nationale Sicherheit und Interessen berühren“ kriminalisiert.

Für Ausländer, die in China leben und arbeiten oder das Land besuchen, bedeutet das: gelangt etwas in ihren Besitz, das als relevant für Chinas „nationale Sicherheit” eingestuft wird, könnte das für sie selbst und ihre Kontakte juristische Konsequenzen haben. 

Das überarbeitete Gesetz enthält vage Formulierungen, durch die selbst der informelle Austausch zwischen Chinesen und Ausländern unter Strafe gestellt werden könnte. Zum Beispiel weitet es den Rahmen von strafbaren Handlungen aus, indem die Verbindung oder Anbindung an sogenannte „Spionage-Organisationen“ kriminalisiert wird. „Eine versuchte Abstimmung“ mit ausländischen Agenten ist künftig ebenso strafbar wie die „Teilnahme“ oder „Annahme von Aufgaben“. Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Folgen das haben wird. Die chinesische Regierung hält Gesetze häufig vage, um bei der Durchsetzung ein hohes Maß an Flexibilität zu haben.

Wie verträgt sich dieser Ansatz mit Beijings Bestreben, sich ausländische Expertise und Kapital zu sichern?

Die Durchsuchungen bei Unternehmen und das überarbeitete Anti-Spionagegesetz stehen im Kontrast zu Beijings Versuchen, ausländische Unternehmen zum Engagement in China zu motivieren. Die chinesische Führung weiß, dass das Land ausländische Expertise und Kapital weiter benötigt.  Das derzeitige Vorgehen zeigt: Die „nationale Sicherheit” unter Xi Jinping ist die oberste Priorität angesichts einer, aus Beijings Sicht, wachsenden Bedrohung durch den Westen. 

China begrüßt weiterhin ausländisches Kapital, durch die jüngsten politischen Maßnahmen werden Aktivitäten vor Ort aber komplizierter. Das hat Folgen für Wirtschaftsprüfungs- und Marktforschungsfirmen, Berater und Analysten. Für diese Gruppen erhöht der übermäßige Fokus auf Sicherheitsbedenken bei der Sammlung und Analyse von Industrie-, Wirtschafts- und Handelsdaten die Unsicherheit in einem ohnehin sensiblen Umfeld. Das Sammeln und Verifizieren von Informationen sind zentral für ihre Arbeit und notwendig, um Risiken und Chancen akkurat zu bewerten. Das wird jedoch riskanter angesichts der Ausweitungen der Bedenken bezüglich Chinas „nationaler Sicherheit“ und möglicher Verstrickungen darin. 

Was bedeutet das für Chinas angespanntes Verhältnis zu Westen?

Das Gesetz ist die jüngste in einer Reihe rechtlicher Maßnahmen, mit denen die chinesische Regierung ihre Kontrolle ausweitet. Das Nationale Sicherheitsgesetz für Hongkong und das Gesetz zur Abwehr ausländischer Sanktionen sind Teile desselben Puzzles. Beijing will den Fluss von Informationen nach und aus China kontrollieren und sicherstellen, dass allein die Kommunistische Partei das nationale Narrativ definieren kann. Die Gesetzesänderungen werden die Grenzen dessen, was man über China Wissen kann, enger ziehen – zum Nachteil von vielen auf beiden Seiten. 

Die Revisionen verschärfen zwei Entwicklungen, die wir bereits seit einer Weile beobachten: Erstens wird es Informationsasymmetrien geben, weil Zugänge zu Quellen über China verschlossen sind. Zweitens werden chinesische Bürger Verstöße gegen das Gesetz vorsorglich zu vermeiden suchen. Die Selbstzensur wird zunehmen, damit Publikationen oder Beiträge in sozialen Medien nicht das Missfallen der Behörden auf sich ziehen. 

Grafik der Woche

Rezension

Wave Makers (Netflix, 2023)

Korruption, sexuelle Belästigung und Ehebruch werden in dieser achtteiligen Dramaserie thematisiert, die Kandidaten eines taiwanischen Wahlkampfs begleitet. „Wave Makers“ hat sogar chinesische Zuschauer mit ungeschönten Darstellungen beeindruckt, die sie so aus China nicht kennen. Auf der chinesischen Plattform Weibo hieß es, die Protagonisten „sprechen die gleiche Sprache“ wie die Chinesen, „aber es ist wie eine Geschichte, die in einer anderen Welt spielt“.

Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Serie den Mut der „Wellenmacher“ herausstellt, gegenüber Machthabern für die Wahrheit einzutreten, auch wenn sie dadurch in Schwierigkeiten geraten. Sie zeigt die persönlichen Zwickmühlen der Mitarbeiter, deren Idealismus regelmäßig mit der harten Realität des Wahlkampfs und dem Konservatismus ihrer Parteiführung kollidiert. In einer fesselnden Szene verwickeln sich führende Mitglieder der Partei in einen hässlichen Hinterzimmer-Deal, um eine Frau dazu zu bringen, einen Kollegen nicht weiter der sexuellen Belästigung zu bezichtigen.

Die Serie wurde von der in Taiwan regierenden Demokratischen Fortschrittspartei inspiriert – einer der Drehbuchautoren arbeitete sogar für Präsidentin Tsai Ing-Wen. Obgleich fiktiv, bietet sie einen faszinierenden Einblick in eine robuste Demokratie, die von Idealen und Stolpersteinen geprägt ist. Chinesische Fans mochten die ungeschminkte Darstellung sozialer Themen – und ihre Kommentare waren so zahlreich, dass sie von der beliebten Rezensionswebsite Douban gestrichen wurden.

Interessanterweise erwähnt das Drama nicht die Themen, welche die weltweite Wahrnehmung Taiwans dominieren – seine angespannte Beziehung zu Beijing und seine marktführende Halbleiterindustrie. Stattdessen zeigt es die alltäglichen Sorgen vieler Taiwaner – die auch für nicht-taiwanische Zuschauer weit über China hinaus von Interesse sein sollten. „Wave Makers“ erinnert die Welt daran, dass Taiwan ein echtes Land mit echten Menschen ist und nicht nur ein geopolitisches Verhandlungsobjekt.

Rezension von Vincent Brussee, MERICS Analyst

MERICS China Digest

Xiong’an ist Xi Jinpings Lieblingsprojekt (The Economist)

Chinas Staats- und Parteichef hat die „Xiong’an New Area“ besucht, eine im Bau befindliche Stadt 100 km südlich von Beijing. In der Zukunft soll sie eine High-tech Metropole werden, die dreimal die Fläche von New York haben und den Bevölkerungsdruck auf Beijing erleichtern soll. (18.05.2023)

Microsofts LinkedIn schließt Jobbörse in China, verweist auf langsames Wachstum (WSJ)

Das Karrierenetzwerk LinkedIn, das zu Microsoft gehört, hat mitgeteilt, dass es seine Chinesischen Job-Apps schließen wird. Die Firma nannte verlangsamten Gewinnzuwachs und verändertes Nutzverhalten als Gründe für den weiteren Rückzug aus China. (9.5.2023)

Douyin veröffentlicht Regeln für die Nutzung und Kennzeichnung von KI-erstellten Inhalten (chinalawtranslate.com)

Die Schwesterapp von TikTok auf dem chinesischen Markt – Douyin – wird Nutzer auffordern in Zukunft von künstlicher Intelligenz erstellte Inhalte als solche zu kennzeichnen. Die Kurzvideoplattform hatte Anfang des Monats neue Regelungen veröffentlicht. (11.5.2023)