Shenzhou-19 crewed spaceship and a Long March-2F carrier rocket being transferred to the launch area.
MERICS Briefs
MERICS China Essentials
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Chinas neuer Plan für die Weltraumforschung + BRICS-Gipfel + Stahlexporte

Chinas neuer Plan für die Weltraumforschung spart militärische Fragen aus

China hat mit seinem ersten mittel- bis langfristigen Plan für die Weltraumforschung einen Balanceakt vollzogen: es demonstriert darin zwar seine Großmachtambitionen, hält sich aber zu militärischen Aspekten bedeckt. Damit dürfte Beijing vor allem Sanktionen von Seiten der USA verhindern wollen. Der in dieser Woche veröffentlichte Plan konzentriert sich auf die Weltraumwissenschaften, darunter schwarze Löcher, dunkle Materie und Energie, bewohnbare Exoplaneten und die Gesetze des Universums. Auf die militärische Weltraumforschung geht Beijing in dem Dokument nicht ein.

Die Entwicklung von Raumflugzeugen oder wiederverwendbaren Raumfahrzeugen erwähnt der Plan ebenso wenig wie das Satelliten-basierte Internet, obwohl diese Technologien für Beijing hohe Priorität haben. Raumflugzeuge zum Beispiel hätten unmittelbaren militärischen Nutzen. Ein solches wurde Ende 2023 unter großer Geheimhaltung erstmals in China gestartet. Dabei wurden weder Fotos noch dessen Name oder Landeplatz veröffentlicht. Die in dem Plan hervorgehobenen Schwerpunkte beziehen sich indes auf Chinas strategisches Ziel, bis 2050 in der Weltraumforschung eine Großmacht zu werden.

Der Plan formuliert ehrgeizige Ziele für die Anzahl der Weltraumforschungsmissionen bis 2027 (fünf bis acht), zwischen 2028 und 2035 (15) und zwischen 2036 und 2050 (30 Missionen). Herausgegeben wurde der Plan von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, einer zivilen Forschungsorganisation und der zivilen Raumfahrtbehörde, ein weiteres Anzeichen dafür, dass China sich im Weltraum als ziviler Akteur darstellen will. Das Militär ist nur indirekt über die Agentur für bemannte Raumfahrt vertreten.

Wie bereits andere Beispiele und Entwicklungen in den Bereichen Wissenschaft und Technologie in jüngster Zeit reflektiert Chinas Weltraum-Plan das Bemühen, weitere US- Maßnahmen gegen chinesische Unternehmen oder Technologien zu vermeiden, gleichzeitig aber auch als Großmacht wahrgenommen zu werden. Eine ähnliche Taktik war jüngst auch im Zusammenhang mit der Vorstellung des neuesten Huawei-Smartphones zu beobachten, das von chinesischen Kommentatoren als großer Fortschritt gefeiert wurde. Die 5G-Fähigkeiten des Smartphones, die in den USA aufgrund von Befürchtungen hinsichtlich der nationalen Sicherheit Handelsbeschränkungen ausgelöst hatten, wurden in den technischen Daten nicht aufgeführt. Auch der mittel- und langfristige Plan für die Weltraumforschung spart Aspekte aus, die eine unmittelbare militärische Relevanz haben könnten.

MERICS-Analyse: „Der mittel- und langfristige Plan für Weltraumwissenschaften formuliert ehrgeizige Ziele zu Weltraummissionen, erwähnt aber wichtige chinesische Pläne wie das Raumflugzeug nicht," sagt MERICS-Expertin Antonia Hmaidi. „Er steht daher beispielhaft für ein China, das als Großmacht wahrgenommen werden möchte, aber sich darum sorgt, zu viele Details preiszugeben, die US- Handelsbeschränkungen oder Sanktionen nach sich ziehen könnten.”

Medienberichte und Quellen:

METRIX

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Satelliten bilden die Low Earth Orbit (LEO)-Konstellation, auf die Taiwan dank einer Vereinbarung zwischen der taiwanischen Chunghwa Telecom und Eutelsat OneWeb (einer Tochtergesellschaft der französischen Eutelsat-Gruppe) ab Ende des Monats für seine Internetverbindung zugreifen kann. Die Partnerschaft soll Taiwans digitale Infrastruktur krisenfest machen für den Fall, dass China bei einem Annexionsversuch den Internetzugang der Insel abschneidet. Taipei entschied sich für die Zusammenarbeit mit einem europäischen Unternehmen, nachdem sich Gespräche mit Elon Musks Starlink als schwierig erwiesen hatten. Musk unterhält ausgeprägte Geschäftsbeziehungen mit China und unterstützt öffentlich die Ein-China-Politik der Volksrepublik.

Topic

Xi und Modi sprechen auf „BRICS+“-Gipfel erstmals seit fünf Jahren miteinander

Die Fakten: In den bilateralen Beziehungen zwischen den regionalen Rivalen China und Indien zeichnet sich ein Tauwetter ab. Xi Jinping und Narendra Modi trafen auf dem BRICS-Gipfel in Kasan, Russland, erstmals seit fünf Jahren zu Gesprächen zusammen. Einen Tag vor Beginn des dreitägigen Gipfels verkündete Indien einen Durchbruch im jahrzehntelangen chinesisch-indischen Grenzstreit, der nach schweren Zusammenstößen im Galwan-Tal im Jahr 2020 besonders angespannt war. Die Vereinbarung scheint zwar nur die Rückkehr zum Status quo vor 2020 zu erleichtern und keine langfristige Lösung des Grenzkonflikts herbeizuführen, ist aber dennoch bedeutsam. Das Treffen von Xi und Modi in Kasan könnte ein weiterer Schritt zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern sein.

Der Blick nach vorn: Das Treffen zwischen Xi und Modi fand auf dem ersten „BRICS+“-Gipfel seit der Aufnahme Ägyptens, Äthiopiens, des Irans und der Vereinigten Arabischen Emirate im Januar 2024 statt. Viele Beobachter hatten erwartet, dass die bilateralen Spannungen zwischen verschiedenen Mitgliedsstaaten die Organisation behindern könnten. So gelten etwa die Beziehungen zwischen Ägypten und Äthiopien als angespannt, ebenso das Verhältnis zwischen dem künftigen Mitglied Saudi-Arabien und dem Iran. Die Annäherung von China und Indien ist insofern ein positives Signal für die Zukunft der BRICS-Gruppe.

MERICS-Analyse: „Obwohl kaum Informationen über das chinesisch-indische Abkommen zu Patrouillen im gemeinsamen Grenzgebiet verfügbar sind, hat dessen Ankündigung einen Tag vor dem Gipfel in Kasan für positive Schlagzeilen gesorgt. Es stärkt die Wahrnehmung des erweiterten Formats als relevante und gut funktionierende Organisation“, sagt MERICS-Expertin Eva Seiwert. „Auch der russische Gastgeber Wladimir Putin konnte das Treffen von Xi und Modi nutzen, um sich als ‚Akteur des Friedens' auf dem internationalen Parkett zu präsentieren – trotz des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt.“

Mehr zum Thema: “Anti-Western or non-Western? The nuanced geopolitics of BRICS”, MERICS-Kommentar von Eva Seiwert. 

Medienberichte und Quellen:

Rückgang der Stahlnachfrage in China problematisch für internationale Firmen

Die Fakten: Die bislang niedrigen Preise für Stahl und stahlintensive Exporte aus China – auch in die EU – dürften bald stark ansteigen. Der Grund: Chinas Stahlnachfrage ist unter die Hälfte des weltweiten Verbrauchs gefallen, während das Land weiter Überkapazitäten aufbaut. Seit dem Rekordwert von 1.008 Millionen Tonnen 2020 ist Chinas Stahlverbrauch stetig gesunken. 2023 lag er bei 895,7 Millionen Tonnen, produziert wurden in jenem Jahr jedoch 1019,1 Millionen Tonnen. Stahlhersteller weltweit, die bereits mit verzerrten Preisen durch Chinas Überkapazitäten kämpfen, drohen große Probleme: in diesem Jahr ist Chinas Exportvolumen um 21 Prozent angestiegen, während ihr Wert um fünf Prozent gesunken ist. 

Der Blick nach vorn: Beijings strengere Regulierung des Immobilienmarkts und das Ausbleiben neuer Infrastrukturprojekte haben die Nachfrage nach Stahl einbrechen lassen. Da Staatsunternehmen, auch die im Stahlsektor, Arbeitsplätze garantieren müssen, können sie die Produktion nicht drosseln, selbst wenn die lokale Nachfrage nachlässt. Das bringt einen harten Preiswettbewerb für Europas Stahlhersteller, aber auch für Unternehmen, die stahlintensive Waren wie Maschinen herstellen. Zwar steigt die weltweite Nachfrage nach Stahl. Allerdings sind Länder in nachfragestarken Regionen wie Lateinamerika, Südasien und Südostasien daran interessiert, selbst zu produzieren und erheben teilweise hohe Zölle auf Importe – einige davon speziell auf chinesischen Stahl.

MERICS-Analyse: „Chinas Stahlexporte werden in den kommenden Monaten und Jahren sehr wahrscheinlich stark zulegen“, sagte MERICS-Experte Jacob Gunter. „In China ist der Stahlverbrauch für Gebäude und Infrastruktur rückläufig. Für Maschinen aber steigt er an. Das heißt, die Europäer sollten sich nicht nur auf eine Flut chinesischer Stahlimporte einstellen. China wird ihnen auch mit preiswerter hergestellten Maschinen vermehrt Konkurrenz machen.“

Medienberichte und Quellen:

Positive Signale durch Gesetzentwurf zur Förderung der Privatwirtschaft – Umsetzung ungewiss

Die Fakten: Überraschend schnell hat Chinas Legislative den ersten Entwurf des geplanten Gesetzes zur Förderung der Privatwirtschaft veröffentlicht. Beijing will das Vertrauen von Unternehmen wiedergewinnen, doch die Umsetzung des Gesetzes ist noch fraglich. Der am 10. Oktober veröffentlichte Entwurf kündigt viele Verbesserungen an: Förderung von fairem Wettbewerb und Innovation, Zugang zu Investitionen, Marktstandardisierung sowie besseren Schutz der Rechte und Interessen privater Unternehmen. Der Gesetzestext stellt aber auch klar: der Parteistaat hat klare Erwartungen an Unternehmen, die von staatlicher Unterstützung profitieren. Sie müssen zur Erreichung nationaler poltischer Ziele beitragen, parteipolitische Vorgaben befolgen und „aktiv am Aufbau eines modernen und mächtigen sozialistischen Staates“ mitwirken. 

Der Blick nach vorn: Chinesische Medien lobten erwartungsgemäß den Gesetzesentwurf und betonten seine Bedeutung für die Wiederherstellung des Vertrauens der Unternehmen. Jedoch äußerten sie auch subtile Bedenken hinsichtlich der wirksamen Umsetzung. Viele der im Entwurf behandelten Themen seien bereits durch bestehende Gesetze abgedeckt, hieß es. Das eigentliche Problem sei aber die Durchsetzung. In jüngster Zeit gab es vermehrt Berichte über willkürliche Strafen für Unternehmen. Verschuldete Kommunalverwaltungen versuchten, Finanzlöcher zu stopfen und Zahlungsforderungen von Unternehmen abzuwehren. Ein Trend, den internationale Unternehmen im Auge behalten sollten.

MERICS Analyse: „Dass der Gesetzesentwurf so schnell durchgewunken wurde, ist ein wichtiges Signal. Die Regierung muss die Privatwirtschaft unterstützen“, sagt Katja Drinhausen, Leiterin des Bereichs Politik und Gesellschaft bei MERICS. „Die große Herausforderung besteht jedoch darin, die ehrgeizigen Ziele auf höchster Ebene in Einklang zu bringen mit den Realitäten vor Ort – insbesondere angesichts knapper Kassen auf lokaler Ebene – um die Dynamik im Privatsektor wieder anzufachen.“

Medienberichte und Quellen:

MERICS CHINA DIGEST

Einfluss der Partei auf die Legislative nimmt zu (Bloomberg) 

69 Prozent der in diesem Jahr verabschiedeten Gesetze enthalten Hinweise auf die Autorität der Kommunistischen Partei Chinas, ein starker Anstieg im Vergleich zu nur vier Prozent im Jahr 2018. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Bloomberg-Analyse. (15.10.2024) 

Lokale Beamte rufen Frauen an und fragen: „Sind Sie schwanger?“ (China Digital Times)  

Auf der chinesischen Social-Media-Plattform Xiaohongshu teilten Frauen Geschichten über aufdringliche Anfragen der Regierung. Chinas Bevölkerung schrumpft seit zwei Jahren in Folge. (23.10.2024)

Uigurischer Weltkongress sieht sich im Vorfeld der Generalversammlung Schikanen ausgesetzt (VOA)

In den Monaten vor der Generalversammlung der Gruppe, die diese Woche in Sarajevo stattfand, berichtete die Gruppe über ein „beispielloses“ Ausmaß an Schikanen seitens der chinesischen Regierung, einschließlich Drohungen, Verhaftungen und Sabotage. (21.10.2024)