Droht in China eine Phase der Unsicherheit?
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Xis Führungsposition ist trotz wirtschaftlichem Abwärtsdruck unangefochten
Das Festhalten der chinesischen Regierung an der Null-Covid-Strategie hat enorme wirtschaftliche Kosten und öffentlichen Unmut nach sich gezogen. In der Hauptstadt Beijing kam es zu Protesten und Zusammenstößen zwischen Ordnungskräften und Bewohnern, die ihre Wohnungen wochenlang nicht verlassen durften und keinen uneingeschränkten Zugang zu Lebensmitteln und medizinischer Versorgung hatten.
Als Ministerpräsident Li Keqiang bei einer Inspektionstour in Yunnan ohne Maske gesehen wurde, deuteten einige Beobachter dies als indirekte Kritik an der harten Null-Covid-Politik von Partei- und Staatschef Xi Jinping. Li teile demnach nicht Xis Überzeugung, dass seine Strategie "die Prüfung der Zeit bestehen wird". Chinas Ministerpräsident rief zudem zu mehr staatlichen Hilfen für die Wirtschaft auf und betonte, dass die Unterstützung von Unternehmen ein gutes Mittel gegen die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums sei.
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Die aktuelle wirtschaftliche Abwärtsspirale führt jedoch nicht automatisch zu einem Machtkampf an der Partei- und Staatsspitze – und dass die Medien den Ministerpräsidenten Li einen Tag lang in den Mittelpunkt stellten, ist noch lange kein Beleg für eine Destabilisierung von Xis Herrschaft. Dieser hat in den vergangenen zehn Jahren die Opposition und alternative Fraktionen in der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) entmachtet und seine Kontrolle über die Sicherheitsdienste und das Militär zementiert.
Der schwere Vertrauensverlust der Bürger in die Regierung, der sich aus den oft chaotischen Lockdowns selbst in Großstädten wie Beijing und Shanghai ergibt, ist daher keine unmittelbare Bedrohung für Xi. Kritische Beiträge im Internet werden schnell zensiert und physische Proteste durch Chinas enormen Sicherheitsapparat unterdrückt. Mit ihrer strengen Null-Covid-Politik hat die KPC der städtischen Mittelschicht vor Augen geführt, dass sie jederzeit in ihr Leben eingreifen kann und dazu auch bereit ist.
Während die Fallzahlen in der aktuellen Covid-Welle zurückgehen und die Todesraten niedriger sind als in Europa und den Vereinigten Staaten, dürften die rigorosen Lockdowns Chinas Wirtschaftswachstum auf ein Niveau drücken, das zuletzt Anfang der 1990er Jahre erreicht wurde. Unternehmen und die Logistikinfrastruktur haben nach wochenlangen Schließungen Mühe, den Betrieb wieder aufzunehmen.
Auch staatliche Konjunkturprogramme werden das für dieses Jahr angestrebte Wachstumsziel von 5,5 Prozent sehr wahrscheinlich nicht retten können. Hinter verschlossenen Türen dürften deshalb die Debatten über die richtigen Maßnahmen weitergehen und personelle Veränderungen beschlossen werden, während sich die KPC auf ihren 20. Parteitag im Herbst vorbereitet. Eine Abkehr von der Null-Covid-Strategie oder von etablierten Konjunkturmaßnahmen ist nicht in Sicht. In einem Jahr, in dem Sicherheit und Stabilität eine besonders hohe Priorität haben, wird Beijing keine überstürzten Schritte unternehmen.
MERICS-Analyse: "Der Unmut in der Bevölkerung und politische Auseinandersetzungen abseits der Öffentlichkeit dürften höchstens zur Suche nach Sündenböcken und Entlassungen von lokalen Beamten führen. Xi könnte das dann als Veränderungen zum Besseren unter der ‚volksnahen‘ KPC im Sinne des Xi Jinping-Gedankenguts auslegen", sagt MERICS-Experte Nis Grünberg. "Xi wird wohl weiter an der Spitze des Landes stehen und eine Gruppe von loyalen Unterstützern um sich versammeln. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass seine Ambitionen auf eine dritte Amtszeit als Generalsekretär auf dem Parteitag Ende des Jahres in Frage gestellt werden."
Medienberichte und Quellen:
- China Media Project: Politics on page one
- The Economist: Rumors emerge of disharmony within China’s leadership
- Wall Street Journal: China’s top two leaders diverge in messaging on Covid impact
Themen
Furcht vor Isolation: Beijings Außenpolitik setzt neue Koalitionen
Im Vorfeld des 20. Parteitags im Herbst hat Beijing auf ein innen- und außenpolitisch stabiles Jahr gehofft. Nun sieht es sich jedoch mit einem zunehmend feindseligen internationalen Umfeld konfrontiert, das durch die Auseinandersetzung mit dem Westen um die Gestaltung der internationalen Ordnung geprägt ist. Die weitgehend einvernehmliche Kritik der USA und Europas auf den russischen Krieg gegen die Ukraine und deren wachsendes Engagement im Indopazifik haben in Beijing die Sorge geschürt, dass die USA und andere Länder Chinas Aufstieg ausbremsen könnten.
Als US-Präsident Joe Biden auf seiner Asienreise das Indo-Pacific Economic Framework for Prosperity (IPEF) vorstellte und sich mit Staatschefs aus Japan, Indien und Australien im QUAD-Format traf, wertete die chinesische Führung das ebenso als Versuch China zu isolieren wie die Gipfeltreffen der EU mit Japan und Indien im Mai. Verstärkt werden solche Befürchtungen wohl auch durch den mangelnden diplomatischen Austausch aufgrund der Null-Covid-Politik. Es besteht ein erhöhtes Risiko, dass die chinesische Außenpolitik in einer Filterblase geformt wird.
Angesichts der unbeständigen internationalen Lage bereitet sich China auf den Fall vor, dass es wie Russland mit Wirtschaftssanktionen belegt wird. Im März testete Beijing, wie staatliche Stellen auf solche Maßnahmen reagieren würden. Auf internationaler Ebene hält China an seinem Kurs fest: Es gibt keine Anzeichen dafür, dass es seine Haltung zu Russland überdenken könnte. So führte China beispielsweise die jährliche Luftwaffenübung mit Russland früher als geplant über dem Ostchinesischen Meer durch, genau als sich Biden in Tokio mit den anderen QUAD-Staatschefs traf.
Zugleich sucht Beijing den Schulterschluss mit Ländern, die mit der gegenwärtigen internationalen Ordnung unzufrieden sind. Um ein stärker multipolares Machtgefüge durchzusetzen, wirbt die chinesische Führung für eine „Globale Entwicklungsinitiative“, die „Globale Sicherheitsinitiative“ und eine Erweiterung des BRICS-Formats, dem Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika angehören.
Beijing intensiviert zudem den diplomatischen Austausch mit dem globalen Süden. Als Reaktion auf Bidens regionale wirtschaftsstrategische Initiative IPEF besuchte Außenminister Wang Yi im Südpazifik kürzlich acht Inselstaaten. Er konnte diese jedoch nicht dazu bewegen, einer "Gemeinsamen Entwicklungsvision" zuzustimmen, die auch eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit ähnlich dem umstrittenen Abkommen mit den Salomonen vorsieht.
MERICS-Analyse: "Während das internationale Umfeld unbeständig bleibt, dürfte sich Beijings Außenpolitik in absehbarer Zukunft nicht ändern", sagt MERICS-Experte Grzegorz Stec. "Auch weil die internationalen Spannungen nach der Veröffentlichung der ‚Xinjiang Police Files‘ oder dem bevorstehenden NATO-Gipfel mit Schwerpunkt Indopazifik anhalten dürften. Solange keine größeren Entwicklungen ein Umdenken bewirken, wird die chinesische Führung versuchen, Chinas Stärke auszubauen und sich im Ausland um Koalitionen gegen die vom Westen geführte internationale Ordnung bemühen."
Mehr zum Thema: Im aktuellen MERICS China Security & Risk Tracker, untersuchen Helena Legarda und Grzegorz Stec, wie China mit seiner Globalen Sicherheitsinitiative für seien Vision der globalen Ordnung wirbt.
Medienberichte und Quellen:
Null-Covid-Politik trübt Erwartungen ausländischer Unternehmen in China
Während ein Großteil der Welt dazu übergegangen ist, "mit dem Virus zu leben", bleibt China bei einer kompromisslosen Null-Covid-Strategie, um die Ausbreitung der Omikron-Variante in den Griff zu bekommen. Die daraus resultierenden Lockdowns haben Chinas Wirtschaft schwer erschüttert und das Geschäftsklima beeinträchtigt. Auch die chinesische Führung zeigt sich besorgt über die Lage der Wirtschaft. Die Zeiten, in denen das Land für viele Unternehmen ein sicherer Hafen war - ein Markt, auf dem Geschäfte zuverlässig weitergeführt werden konnten, weil sich Beijings Null-Covid-Strategie als wirksam erwies – sind vorbei.
Chinas Ministerpräsident Li Keqiang hielt am 25. Mai eine Videokonferenz mit mehr als 100.000 Beamten aller Regierungsebenen ab. Diese sollten politische Maßnahmen koordinieren, um ein (komplettes) Entgleisen der Wirtschaft zu verhindern. Zwei Tage vor dem Treffen veröffentlichten Li und der Staatsrat 33 Maßnahmen, die auf dem Treffen erneut bekräftigt wurden und dazu beitragen sollen, dass China im zweiten Quartal 2022 zumindest ein geringes positives Wachstum erzielt. Das bedeutet nicht, dass Beijing die vielen langfristigen Ziele der letzten Jahre aufgegeben hat – darunter der Abbau von Schulden, die Regulierung der Technologiebranche sowie des Immobiliensektors und die Dekarbonisierung der Wirtschaft. Diese Ziele und die allgemeine Haushaltsdisziplin sind jedoch vorerst von untergeordneter Bedeutung, da sich die chinesische Regierung auf die Bewältigung dieser selbst verursachten Krise konzentriert.
Die Stimmung der ausländischen Unternehmen in China hat sich angesichts dieser Entwicklungen verschlechtert. Am 19. Mai empfing Li Vertreter großer ausländischer Wirtschaftsverbände und Handelskammern, um sich deren Anliegen anzuhören. Das änderte nichts daran, dass der Manager-Stimmungsindex des US-Forschungsinstituts Conference Board vom 24. Mai immer noch ernüchternde Ergebnisse hervorbrachte.
Die Stimmung mit Blick auf die aktuelle Situation fiel äußerst negativ aus, noch auffälliger sind jedoch die Erwartungen für das kommende Halbjahr: 47 Prozent der befragten Unternehmensführer erwarten eine Verschlechterung der Umsätze in China, nur 27 Prozent erwarten, dass sie gleichbleiben. Darin kommt das fehlende Vertrauen in die Fähigkeit Beijings zum Ausdruck, die Krise in diesem Jahr zu überwinden. Zugleich zeigt sich, dass die Unternehmen in nächster Zeit nicht mit einer Abkehr von der Null-Covid-Strategie rechnen.
MERICS-Analyse: "Li Keqiang ist angewiesen worden, die Wirtschaft auf Kurs zu halten, ohne Xi Jinpings Null-Covid-Strategie in Frage zu stellen. Li ist wie ein Feuerwehrmann, der ein wütendes Inferno ohne Wasser löschen soll", sagt MERICS-Wirtschaftsexperte Jacob Gunter. "Die Details, die über Lis Treffen mit den Beamten bekannt sind, lassen darauf schließen, dass er verzweifelt versucht, die Wirtschaft zusammenzuhalten. Doch solange die Null-Covid-Strategie nicht aufgegeben wird, kann Li wenig tun, um die wirtschaftliche Basis zu stabilisieren. Ausländische Investoren sind zunehmend verunsichert durch den harten Kurs Beijings."
Medienberichte und Quellen:
China verliert im globalen Wettbewerb um Talente an Boden
Die aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Unsicherheiten und strengen pandemiebedingten Reisebeschränkungen erschweren Xi Jinpings Bestreben, herausragende und innovative Talente aus der ganzen Welt nach China zu locken. Die Nationale Einwanderungsbehörde untersagte am 23. Mai „nicht unbedingt notwendige“ Auslandsreisen; für ausländische Staatsangehörige gelten weiter strenge Einreiseauflagen.
Der grenzüberschreitende Reiseverkehr dürfte auch in diesem Jahr stark eingeschränkt bleiben: Die Zahl der Reisen nach und aus China gingen im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 5,9 Prozent auf 30 Millionen zurück. 2021 reisten 4,5 Millionen Ausländer nach China oder verließen das Land, das entspricht weniger als fünf Prozent des Niveaus von 2019.
Auch gibt es Anzeichen, dass chinesische und internationale hochqualifizierte Fachkräfte im Land unruhig werden: Online-Suchanfragen, die das Wort „Migration“ beinhalten, steigen sprunghaft an, Visa-Agenturen sind überlastet, und in den sozialen Medien werden Inhalte zu Begriffen wie „runology“ (润学) (das sich sinngemäß als „Lehre von der Auswanderung“ übersetzen lässt) oder „die letzte Generation“ rasch zensiert. In Hongkong lag die Nettoabwanderung nach Zollangaben 2022 bislang bei 68.000 Menschen. Damit setzt sich der Trend aus dem Vorjahr fort.
Chinas Führung bekräftigte kürzlich ihr Ziel, Städte wie Hongkong, Shanghai und Beijing in "global führende Zentren für hochqualifizierte Fachkräfte und Innovation" zu verwandeln. Das hielt das Politbüro am 29. April im Zusammenhang mit dem (nicht öffentlich einsehbaren) Fünfjahrplan zur Talententwicklung (2022-2025) fest.
Angesichts der unsicheren Situation internationaler Studierender an chinesischen Universitäten seit Beginn der Pandemie dürften viele von ihnen jedoch ihre China-Pläne in Frage stellen. Obwohl Beijing weiter seine Seidenstraßen-Initiative im Bildungssektor bewirbt und die Bedeutung der "Süd-Süd-Kooperation" betont, ist es rund 50.000 Studierenden aus Indien und Pakistan seit mehr als zwei Jahren nicht möglich, für ihr Studium nach China einzureisen. Das chinesische Außenministerium teilte Ende April mit, dass die Vorbereitungen für die Aufnahme der Studierenden im Gange seien, seither wurden aber keinerlei Fortschritte vermeldet.
MERICS-Analyse: "Derzeit führt Chinas Null-Covid-Strategie das Land auf einen Weg der Isolation und sogar der Abkopplung", sagt Jeroen Groenewegen-Lau, Programmleiter Wissenschaft, Technologie und Innovation bei MERICS. "Auch auf lange Sicht ist nicht klar, wie China im globalen Wettbewerb um Talente verlorenen Boden gutmachen könnte, abgesehen von den Bemühungen um chinesische Studierende im Ausland.“
Medienberichte und Quellen:
Vis-à-vis
Johnny Erling: „Es geht hier um große innen-, außen- und wirtschaftspolitische Fehler“
MERICS China Essentials sprach mit Johnny Erling über Anspannung und Verunsicherung in China. Als MERICS Senior Fellow beschäftigt er sich mit chinesischer Innenpolitik und der Kommunistischen Partei im Vorfeld des 20. Parteitags 2022. Erling arbeitete mehrere Jahrzehnte in China und war von 1997 bis 2019 Korrespondent in Beijing für "Die Welt" aus Deutschland und "Der Standard" aus Österreich.
Warum sorgt Chinas einst gefeierte Covid-Politik nun für Verunsicherung?
Peking hat mit der jetzigen, heftigen Corona-Welle nicht gerechnet. Mit der Unterdrückung des Virus durch weiträumige landesweite Lockdowns schien die Krise bereits 2020 überwunden. Nun musste aber Xi Jinping mit einiger Überraschung feststellen, dass China das Problem nicht gelöst hat: Die ansteckendere Omikron-Variante und die niedrige Impfquote gerade in der älteren Bevölkerung haben ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Seine Antwort darauf war vorgeprägt: die Null-Covid-Strategie von 2020 – auch wenn diese nicht zum heutigen Infektionsgeschehen passt. So befanden sich Mitte April um die 45 Städte im Lockdown und Betriebe, die 40 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen, standen still. Das hat große Verunsicherung im Land und in der Führung verursacht.
Xi hatte den anfänglichen Erfolg bei der Virus-Bekämpfung als systemische Überlegenheit gedeutet: Ordnung in China, Chaos in Europa und Nordamerika. Auch war er stets erpicht darauf, dass Chinas Wirtschaft stärker wächst als die der USA – auch diese Ambition dürfte aber 2022 nun Makulatur sein.
Könnte die Verunsicherung Xis Ziel unterlaufen, seine Macht weiter zu festigen?
Für Xi ist das große, fünfjährliche Treffen der Kommunistischen Partei im Herbst die oberste Priorität. Der Parteikongress soll ihn wie geplant zum dritten Mal zum Generalsekretär wählen, der essenzielle Schritt zur Wiederwahl als Staatschef durch den Nationalen Volkskongress im Frühjahr 2023. Millionen von Corona-Toten passen nicht zu dieser Inszenierung. Deshalb glaubt Xi glaubt, keine andere Wahl zu haben, als gegen den Virus nach dem Hau-den-August-Prinzip vorzugehen. Auch wenn das die Bevölkerung verunsichert, die Wirtschaft lähmt, das Ausland die Verlässlichkeit Chinas in Frage stellen lässt.
Xi macht zudem alles, um für einen reibungslosen Parteitag zu sorgen: Die Überprüfung der Delegierten wurde verschärft, Anhänger irgendeiner Xi-kritischen Strömung werden nicht in Erscheinung treten können. Es gibt jede Menge Propaganda-Aktivitäten, die Bürger von jung bis alt und alle Funktionäre disziplinieren sollen. Vermutlich wird er auch noch seine Anti-Korruptions- und Selbstkritik-Kampagne verschärfen, wahrscheinlich mit prominenten Opfern. Die Bürokratie zieht alle Register – so wie nie zuvor –, damit die Parteitags-Inszenierung wirklich glücken kann.
Xi kann also der Verunsicherung im Inland und im Ausland noch Herr werden?
Die Null-Covid-Strategie ist schon eine Schlammassel: Die Bevölkerung ist unzufrieden, die Wirtschaft lahmt, die Arbeitslosigkeit gerade unter den Universitätsabgängern steigt allarmierend. Und das ist nicht Xis einziger Fehler: Außenpolitisch ist China auch wegen seiner Unterstützung Russlands zunehmend isoliert. Es geht hier um große innen-, außen- und wirtschaftspolitische Fehler eines scheinbar beratungsresistenten Staats- und Parteichefs. Aber noch hat Xi das Land total unter Kontrolle, es gibt keine Anzeichen einer Gruppe oder Strömung, die ihm gefährlich werden könnte. Er hat Armee und Polizei auf sich eingeschworen.
Die chinesische Führung setzt darauf, noch im Juni Shanghai und andere große Städte aus dem Lockdown befreien zu können – und diesen Schritt dann als großen Triumph öffentlich zu feiern. So soll das Bild von China als Hort der Ordnung wiederhergestellt werden, ähnlich wie das anfängliche Desaster von Wuhan nach Ende des strikten Lockdowns als erfolgreicher nationaler Kraftakt gefeiert wurde. Unter den jetzigen Umständen gehe ich davon aus, dass Xi mit Karacho im Herbst als Parteichef und im Frühjahr als Staatschef wiedergewählt wird. Ab März 2023 könnte er dann dringend notwendige Korrekturen seiner jüngsten Fehler einleiten, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und außenpolitischen Spielraum wiederzuerlangen. Aber erst einmal haben Partei- und Volkskongress für ihn höchste Priorität.
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Zhejiang Orient Gene, Hangzhou Alltest und Acon Biotech Hangzhou: Chinesische Schnelltest-Hersteller entdecken den heimischen Markt
Zhejiang Orient Gene, Hangzhou Alltest und Acon Biotech Hangzhou mögen wie unbekannte und vielleicht sogar zweifelhafte chinesische Unternehmensnamen klingen. Dabei ist es gut möglich, dass Sie mit deren Produkten während der Coronapandemie buchstäblich in Berührung gekommen sind. Bei den drei Unternehmen handelt es sich um die größten chinesischen Hersteller von Corona-Schnelltests, die zusammen bis zu 30 Millionen Test-Kits pro Tag produzieren. Ihre größten Kunden waren bis vor kurzem Europa und die Vereinigten Staaten, nun gewinnt der heimische Markt stark an Bedeutung.
Die Verbreitung der Omikron-Variante erhöhte in vielen Teilen der Welt die Nachfrage nach Schnelltests – und bescherte chinesischen Diagnostikunternehmen Rekordeinnahmen. Zhejiang Orient Gene konnte seinen Jahresgewinn im vergangenen Jahr um 193 Prozent auf 4,9 Milliarden CNY steigern. Chinas größter Schnelltest-Hersteller war unter den ersten Unternehmen des Landes, die 2020 von in der Europäischen Union zertifiziert wurden.
Das älteste der drei Unternehmen, Acon Biotech Hangzhou, wurde 1995 gegründet. Alle drei sind seit mindestens einem Jahrzehnt auf die Herstellung medizinischer Diagnostikinstrumente spezialisiert und passten ihre Produktion schnell an, als die Nachfrage nach Corona-Schnelltests explodierte. Sie errichteten Labore und Produktions- und Vertriebsbüros in der EU, den Vereinigten Staaten und Kanada. Um die Expansion zu finanzieren, gingen Orient Gene und Hangzhou Alltest sogar an die Shanghaier Börse.
Nachdem zahlreiche Länder ihre Testkapazitäten zurückgefahren haben sind die Ausfuhren von Test-Kits aus China im April dieses Jahres im Vergleich zum Vormonat um mehr als 70 Prozent zurückgegangen. Die heimische Nachfrage könnte diesen Einbruch nun abfedern. Weil das chinesische Gesundheitssystem mit der Testung von Millionen von Einwohnern an seine Grenzen stößt, erlaubt die chinesische Regierung seit Anfang des Jahres auch Selbsttests für Privatpersonen.
Medienberichte und Quellen: