Kanzlerin Angela Merkel spricht an der Universität für Wissenschaft und Technik in Wuhan, Provinz Hubei, am 7. September 2019.
14 Minuten Lesedauer

Merkel in China: Navigieren in schwierigen Gewässern

China Update 13/2019

METRIX

von 32 Mannschaften ist China bei der ersten Basketball Weltmeisterschaft im eigenen Land geworden. Als Gastgeber hatten sich viele Fans große Hoffnungen auf die Finalrunde oder sogar einen Titelgewinn gemacht. Das Team schied jedoch in der Vorrunde aus. Viele Chinesen begeistern sich für Basketball. Laut South China Morning Post ist die NBA die beliebteste Sportliga Chinas.

Hören Sie auch unseren Podcast mit Ex-Nationalspieler Henning Harnisch zur Basketball-WM in China.

Thema der Woche

Merkel in China: Navigieren in schwierigen Gewässern

Anhaltende Proteste in Hongkong, der eskalierende US-chinesische Handelsstreit, eine erlahmende Konjunktur in Deutschland: Angela Merkels zwölfter offizieller Besuch in China fand in turbulenten Zeiten statt. Doch in der deutschen Wirtschaft gab es im Anschluss viel Lob für Merkels geschicktes Navigieren in schwierigen Gewässern. Bei Deutschlands europäischen Partnern hingegen dürfte Merkels Agieren in China eher Enttäuschung ausgelöst haben.

Die Bundeskanzlerin äußerte öffentlich kritische Worte zu Hongkong und rief zu Öffnung und Reformen in China auf, zugleich wurden am Rande der Reise elf lukrative Wirtschaftsabkommen geschlossen. Deutsche Handelsinteressen standen im Mittelpunkt, wie üblich wurde Merkel von einer ranghohen Wirtschaftsdelegation begleitet. Der Allianz-Konzern vereinbarte eine strategische Zusammenarbeit mit der Bank of China im Bereich Finanzen und Versicherungen, Siemens unterzeichnete eine Absichtserklärung mit dem staatlichen Energiekonzern SPIC. Airbus schloss mit dem Luftfahrtkonzern AVIC eine Vereinbarung über die Produktion des A320 in Tianjin ab.

Der Industrieverband BDI hatte Anfang des Jahres in einem viel beachteten Papier China erstmals in ungewohnt kritischer Weise einen „systemischen Wettbewerber“ genannt. Dies hatte Erwartungen geweckt, dass die deutsche Wirtschaft Themen wie fehlende Marktzugänge oder das umstrittene chinesische Cybersicherheitsgesetz künftig direkter ansprechen würde. Auch wenn bei dieser Reise die Kooperation im Vordergrund gestanden habe, seien Kritikpunkte angesprochen worden, hieß es im Anschluss aus informierten Kreisen. Das bestehende Spannungsfeld bleibe, auch angesichts unterschiedlicher Wertvorstellungen.

Merkel musste erneut den schwierigen Spagat zwischen Wirtschafts- und Werteinteressen überbrücken. Zwar schwieg die Kanzlerin zur Situation in Xinjiang, wo eine Million Menschen in Arbeitslagern festgehalten werden. Sie drängte aber hinter verschlossenen Türen und auch öffentlich bei einer Pressekonferenz mit Ministerpräsident Li Keqiang auf die Einhaltung der Hongkong gewährten „Rechte und Freiheiten“ sowie eine Dialoglösung. Lis Reaktion vor Journalisten fiel knapp aus und machte offensichtlich, unter welchem Druck Beijing angesichts der anhaltenden Proteste steht: China unterstütze die Hongkonger Regierung dabei, „die Gewalt und das Chaos im Einklang mit den Gesetzen zu beenden und zur Ordnung zurückzukehren“.

Bei ranghohen Wirtschaftsvertretern stieß Merkels Strategie des „Sowohl, als auch“ auf ein positives Echo: „Wenn Arbeitsplätze in Deutschland davon abhängen, wie wir mit brisanten Themen umgehen, dann sollte man nicht die allgemeine Empörung verstärken, sondern überlegt die Positionen und Maßnahmen in allen Facetten abwägen“, sagte Siemens Chef Joe Kaeser in einem Interview. „Wir können deshalb gegenseitig auch klar Positionen beziehen und dabei kulturelle Besonderheiten im Umgang miteinander respektieren.“

Europäische Interessen standen offenkundig nicht im Vordergrund der Reise: Zwar drängte die Kanzlerin erneut auf den baldigen Abschluss eines Investitionsschutzabkommens zwischen China und der EU. Pläne, auch französische oder Vertreter anderer EU-Staaten in der deutschen Delegation mitreisen zu lassen, wurde dem Vernehmen nach aber verworfen.

Die EU ringt seit geraumer Zeit um eine gemeinsame China-Politik. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte als wichtige Geste im März den damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und Merkel zu einem Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping hinzugebeten. Merkel indes fokussierte sich auf ihrer Reise wieder stärker auf die deutschen Geschäftsinteressen, auch wenn mit Airbus ein deutsch-französisches Unternehmen mitreiste. Berlins „Back to business“ wurde im Nachbarland als Gefahr für den europäischen Zusammenhalt im Umgang mit China interpretiert.

MERICS-Analyse:

Für Deutschland ist es schwierig, zu China Nein zu sagen. Analyse von MERICS-Fellow Noah Barkin.

Eine Reise in angespannter Zeit. Podcast mit MERICS Vize-Direktor Mikko Huotari.

Deutschland-Besuch von Hongkong-Aktivist Wong sorgt für Ärger mit China

Kurz nach Angela Merkels Rückkehr aus China hat ein Besuch des Hongkonger Studentenführers Joshua Wong in Deutschland für diplomatische Spannungen gesorgt. In ungewöhnlich scharfem Ton kommentierte eine chinesische Außenamtssprecherin am Dienstag ein Treffen von Außenminister Heiko Maas (SPD) mit Wong, der in Berlin an einer Veranstaltung der „Bild“-Zeitung teilnahm. Bestimmte deutsche Medien und Politiker wollten sich durch ihre Treffen mit einem „antichinesischen Separatisten“ nur Aufmerksamkeit sichern und die Debatte anheizen, sagte Hua Chunying.

Hua kritisierte die „Respektlosigkeit“ gegenüber der Souveränität Chinas und die Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes. Maas solle lieber Dinge tun, die der deutsch-chinesischen Freundschaft nützten und diese nicht zerstören. Maas war Wong am Rande der Veranstaltung im Bundestag begegnet und hatte sich mit ihm fotografieren lassen. Das Auswärtige Amt wies die chinesische Kritik zurück und betonte den informellen Charakter der Kontakte. 

Wong war am Montag in Deutschland eingetroffen, nachdem er von den Hongkonger Behörden zunächst am Flughafen festgehalten worden war. Der 22-Jährige ist eines der bekanntesten Gesichter der Hongkonger Demokratiebewegung, er war 2014 einer der Wortführer der Regenbogen-Bewegung und ist auch bei den aktuellen Protesten aktiv. Wong befindet sich zurzeit gegen Kaution auf freiem Fuß. Ihm wird vorgeworfen, andere zur Teilnahme an einer von ihm organisierten illegalen Versammlung am 21. Juni animiert zu haben.

In Berlin warb der Demokratie-Aktivist für Unterstützung für die Proteste in Hongkong. Er hoffe, dass die EU bei Handelsgesprächen mit China künftig auch Menschenrechtsfragen in die Verhandlungen einbringe, sagte Wong bei einer Pressekonferenz in Berlin. Er bat insbesondere Deutschland um Hilfe, indem er einen Vergleich mit der Wiedervereinigung zog: "Wenn wir in einem neuen Kalten Krieg sind, dann ist Hongkong das neue Berlin", sagte er.

Chinas Botschafter in Deutschland, Wu Ken, lud ebenfalls in Berlin zu einer Pressekonferenz. Er kritisierte die Protestaktionen in Hongkong als „bösartig“ und „nahezu terroristisch“, Wong nannte er einen „Krawallmacher“.

Wong kündigte an, dass die Demonstrationen in seiner Heimat bis zum 1. Oktober, dem 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China, andauern würden. Chinas Präsident Xi Jinping müsse lernen, „die Stimme des Volkes zu respektieren“. Wong wird nach Deutschland auch noch die USA besuchen.

MERICS-Analyse:

Kristin Shi-Kupfer, Leiterin des Programms Politik, Gesellschaft, Medien am MERICS: „Joshua Wong hat sich als reflektierter Botschafter der Protestbewegung in Hongkong präsentiert. Dass sich der deutsche Außenminister mit ihm fotografieren lässt, hat Signalwirkung, ist aber ein normaler Teil der politischen Kultur einer Demokratie. Die scharfe Reaktion der chinesischen Regierung zeugt von der Nervosität der KP-Führung und davon, dass sie Hongkong als eine zentrale Frage ihrer Autorität betrachtet.“

Hongkong: Was Chinas Kurs für die Wirtschaft bedeutet. Analyse von Kristin Shi-Kupfer.

China und die Welt

China stellt sich im Kaschmir-Konflikt hinter Pakistan

Im Streit um die Kaschmir-Region hat sich China demonstrativ hinter seinen alten Verbündeten Pakistan gestellt. Außenminister Wang Yi bekräftigte bei einem Besuch in Islamabad die feste Unterstützung Chinas für den „Allwetterpartner“ Pakistan bei der Sicherung seiner Souveränität, Würde und territorialen Unversehrtheit. Anlass des Besuchs am 7. und 8. September war auch ein trilaterales Treffen der Außenminister Chinas, Pakistans und Afghanistans.

Die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Indien und Pakistan sind seit Anfang August auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Die Regierung in Neu-Delhi kündigte seinerzeit an, den bislang in der indischen Verfassung festgeschriebenen Autonomiestatus für den indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir aufzuheben. Außerdem entsandte sie Truppen in die Unruheregion. China nannte die indische Entscheidung „inakzeptabel“ und „nicht bindend“ und stellte sich hinter Pakistans Antrag, in einer geschlossenen Sitzung des UN-Sicherheitsrats über die Vorgänge zu beraten.

China hat wegen der Seidenstraßen-Initiative (Belt & Road Initiative, BRI) ein starkes strategisches Interesse an einer Beruhigung der Lage. Pakistan ist ein zentraler Wirtschaftspartner im Rahmen der BRI und dient China geostrategisch als Puffer gegenüber dem Rivalen Indien.

Kaschmir ist seit dem Ende der britischen Kolonialherrschaft 1948 zwischen Pakistan und Indien geteilt, beide Länder beanspruchen die Region jedoch vollständig für sich. Auch China erhebt territoriale Ansprüche auf einen Teil Kaschmirs, die Hochlandregion Aksai Chin. Alle drei Konfliktparteien verfügen über Atomwaffen.

MERICS-Analyse:

Die Seidenstraßen-Initiative in Pakistan: Chinas wichtigster Wirtschaftskorridor. MERICS Belt and Road Tracker

Korruptionsbekämpfung: Kommunistische Partei nimmt Außenpolitik-Institutionen ins Visier

Die Anti-Korruptionskampagne der Kommunistischen Partei Chinas hat die für auswärtige Angelegenheiten zuständigen Institutionen erreicht: Die Zentrale Disziplinarkommission der KPC (CCDI) wird im Auftrag des Zentralkomitees auch das Außenministerium, die für Auslandspropaganda zuständige Zentralabteilung Vereinigte Arbeitsfront, die Internationale Abteilung der KPC und 34 weitere Staats- und Parteiinstitutionen einer Prüfung unterziehen.

Neben dem Vorgehen gegen Korruption soll insbesondere die Beförderungspraxis unter die Lupe genommen werden. Nachdem im Mai neue Regulierungen veröffentlicht worden waren, hat die Partei ihre Kontrolle in diesem Bereich verschärft. Auf diese Weise sollen ranghöhere Kader daran gehindert werden, ihnen loyal dienende Mitarbeiter zu bevorzugen.

Die Anti-Korruptionskampagne ist ein zentraler Baustein der Bemühungen von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, zentrale Kontrolle zu stärken und den Einfluss von persönlichen Netzwerken innerhalb der Partei und staatlicher Hierarchien begrenzen.

Xi zielt nicht nur auf eine Stärkung seiner eigenen Machtposition; er will der Kommunistischen Partei wieder mehr Rückhalt in der Bevölkerung verschaffen. Seit Ende 2012 wurden mehr als 2,6 Millionen Kader überprüft. Mehr als 1,5 Millionen wurden bestraft. Die Anti-Korruptionskampagne wurde inzwischen auch ins Ausland ausgeweitet: Die Zentrale Disziplinarkommission überprüft auch Projekte im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative auf Betrug und Korruption.

Innenpolitik, Gesellschaft und Medien

Chinesen sorgen sich um Datenschutz bei App für Gesichtsmanipulation

Die Sicherheit von Daten wird zunehmend ein Thema in China. Die Chinesische Cyberspace Administration hat am 4. September die Firma Momo, Inhaber der App Zao, aufgefordert, ihre Datenschutzrichtlinien anzupassen und Probleme bei der Datensicherheit zu beheben. Zao wurde am 30. August veröffentlicht und ermöglicht es Nutzern, mithilfe eines Selfies Gesichter von Schauspielern gegen das eigene Gesicht in Filmszenen auszutauschen. Die kostenlose App fand großen Andrang und toppte nach kurzer Zeit die chinesischen Download-Charts.

Gleichzeitig regte sich jedoch starker Unmut. Nutzer kritisierten die unzureichenden Datenschutzrichtlinien, die der App alle Nutzungs- und Besitzrechte an hochgeladenen und erzeugten Inhalten gab. Inzwischen haben die Macher der App nachgebessert: Nutzergenerierte Inhalte werden nun nur noch zur Weiterentwicklung genutzt und gelöschte Inhalte von den Servern der Firma entfernt.

Die Sorge um den Diebstahl von Gesichtsdaten ist darin begründet, dass Dank fortschrittlicher Gesichtserkennungssoftware mit dem eigenen Gesicht in Läden bezahlt, in Banken Geld überwiesen und in Universitäten die Anwesenheit festgestellt werden kann. Ein Kommentar in „The Beijing News“ bezeichnete Zao sogar als mögliche Gefahr für die Nationale Sicherheit.

Wirtschaft, Finanzen und Technologie

Chinesische Zentralbank kurbelt bei schwacher Konjunktur Kreditvergabe an

Um die Kreditvergabe anzukurbeln und der schleppenden Konjunktur auf die Sprünge zu helfen, hat die Chinesische Zentralbank (PBOC) den Mindestreservesatz gesenkt – den Anteil der Einlagen, den eine Bank bei ihr deponieren muss. Laut der PBOC sollen dadurch 900 Milliarden CNY an Liquidität freigesetzt werden. Es ist bereits das siebte Mal seit Anfang 2018, dass die Zentralbank einen solchen Schritt unternimmt.

Chinas Wirtschaft erlebt seit Jahren eine Wachstumsschwäche. Das BIP-Wachstum lag im zweiten Quartal bei nur 6,2 Prozent, die niedrigste Rate seit 27 Jahren. Im Jahresvergleich fielen in der ersten Jahreshälfte Exporte um 1,3 Prozent und Importe um 7,3 Prozent, ein Trend, der sich im August weiter fortsetzte.

Nach Bekanntgabe der jüngsten Maßnahme der PBOC stieg der Wert des Yuan gegenüber dem US-Dollar leicht von 7,12 auf 7,10, und die Börsen verspürten leichten Aufwind. Dennoch sieht das wirtschaftliche Gesamtbild eher düster aus, trotz der Anreize deutet sich ein Anstieg der inländischen Nachfrage derzeit nicht an.

Auch der anhaltende Handelskonflikt mit den USA belastet Chinas Wirtschaft. Der Wertverlust des Yuan gegenüber dem US-Dollar hat zwar die Verluste durch Zölle kompensiert, ging aber zu Lasten von Chinas externer Kaufkraft. Die Maßnahmen der Regierung werden wahrscheinlich ausreichen, um die Wachstumsziele für dieses Jahr zu erreichen, sie werden aber auch die Verschuldungsquote im Verhältnis zum BIP erhöhen.

MERICS-Analyse:

China’s economy in Q2: Controlled shift to lower growth levels. MERICS Economic Indicators.

Chinas Premier betont Bedeutung der Grundlagenforschung für Innovation

Um Innovationstätigkeiten und die nationale Entwicklung voranzutreiben, will China nach den Worten von Ministerpräsident Li Keqiang verstärkt die Grundlagenforschung fördern. Li forderte auf einem Symposium Anfang September in Beijing staatliche Unterstützung auf allen Ebenen, um Fortschritte in diesem Feld zu befördern.

In seiner Rede bezog sich Li auch auf den berühmten Physiker Isaac Newton: Dieser habe unter einem Apfelbaum die Gesetze der Schwerkraft entdeckt. Innovative Durchbrüche können demnach nicht strikt geplant werden. Es gelte vielmehr, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Li schlug vor, der Veranstalter des Symposiums, der Nationale Wissenschaftsfonds für junge Exzellenzforscher, solle als eine Art „Risikokapitalfonds“ fungieren, der junge Akademiker zu innovativer und mutiger Forschung anregen solle.

Der staatlich gestützte Fonds feiert dieses Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Sein Ziel ist der rasche Aufbau eines Talentpools junger Forscher in der Grundlagenforschung. Dafür sollen auch chinesische Forscher im Ausland zur Rückkehr nach China bewegt werden. 2018 gab China ungefähr 272 Milliarden EUR (2,2 Prozent des BIP) für Forschung und Wissenschaft aus und liegt damit vor der EU (2,1 Prozent des BIP im Jahr 2017).

MERICS-Analyse:

MERICS-Forscher Max J. Zenglein und Anna Holzmann: “Der Aufbau der Fähigkeiten für Grundlagenforschung braucht Zeit und bleibt eine Schwachstelle Chinas, trotz stetig wachsender Ausgaben für Forschung und Entwicklung.“

Lesen Sie mehr dazu im MERICS Paper on China Evolving Made in China 2025

Im Profil

China erfolgreichster Unternehmer tritt zurück und wird Mäzen

Pünktlich zu seinem 55. Geburtstag hat sich Jack Ma ein besonderes Geschenk gemacht: Der Chef und Mitgründer der Alibaba-Gruppe zog sich am 10. September von seinem Posten zurück. Ma hatte die Firma, heute nach Handelsvolumen gemessen einer der größten E-Commerce-Konzerne der Welt, vor 20 Jahren mit 18 Mitgründern ins Leben gerufen. Er hat viel erreicht: Alibaba beschäftigt heute 66.000 Angestellte und hat monatlich mehr als 750 Millionen Nutzer. Der Marktwert des Unternehmens wird auf mehr als 380 Milliarden EUR geschätzt.

Ma prägte bei Alibaba eine innovative Firmenkultur, die dem Unternehmen zu anhaltendem Erfolg verhalf. Mit seiner charismatischen Art und einem oftmals speziellen Humor entsprach er gar nicht dem Klischee des hartleibigen chinesischen Geschäftsmanns. Er versuchte sich sogar in einem selbst produzierten Kungfu-Kurzfilm als Schauspieler.

Doch Ma beherrschte auch die Kunst, sich mit der Kommunistischen Partei Chinas zu arrangieren. Er kooperierte mit der Regierung und unterhielt persönliche Kontakte zu Präsident Xi Jinping. 2018 gab er bekannt, Mitglied der KPC zu sein. Seine Beziehung zur Partei und den Mächtigen in Beijing beschrieb er ambivalent: „Liebe sie, aber heirate sie nicht.“

Was die Zukunft der Digitalisierung angeht, zeichnet sich der ehemalige Lehrer Ma durch eine grundoptimistische Haltung aus – im Gegensatz zu US-Milliardär Elon Musk. Mit diesem stritt sich Ma kürzlich auf einer internationalen KI-Konferenz in Shanghai über die Folgen der Technologie. Laut Ma gibt es keinen Grund, Anwendungen der „Künstlichen Intelligenz“ zu fürchten. Sie würden neue Jobs schaffen und den Menschen Zeit für wirklich kreative Aufgaben verschaffen.

Ma muss auf diesen technischen Fortschritt nicht warten: Er verfügt über ein geschätztes Vermögen von umgerechnet etwa 37 Milliarden EUR und ist damit einer der reichsten Menschen der Welt. In Zukunft will er sich ganz seiner ersten Liebe widmen: mit seiner vor fünf Jahren gegründeten Jack-Ma-Stiftung will er sich voll auf die Förderung von Bildungsprojekten konzentrieren. Als wohltätiger Mäzen folgt Ma auch dem Vorbild seines Idols, Microsoft-Gründer Bill Gates. Vielleicht werde er eines Tages sogar wieder als Lehrer arbeiten, gestand Ma dem Sender Bloomberg TV. „Das kann ich, glaube ich, besser als Chef von Alibaba zu sein.“