„30 Jahre nach Tiananmen sind soziale Bewegungen in China unwahrscheinlich geworden“
MERICS und die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb erinnerten am 3. Juni in Berlin mit einer Podiumsveranstaltung an die chinesische Demokratie- und Protestbewegung im Frühjahr 1989. Führende Chinaexperten aus Deutschland und den USA diskutieren die Bedeutung des 4. Juni 1989 für die aktuellen Entwicklungen in China mit Kristin Shi-Kupfer, Leiterin des Programmbereichs Politik, Gesellschaft und Medien am MERICS.
Professor Perry Link von der Princeton University und Herausgeber der Tiananmen-Papers, lebte im Frühjahr 1989 in Peking. Für ihn markiert die Niederschlagung der Proteste vom 4. Juni einen Wendepunkt in der Geschichte Chinas. „Die kommunistischen Führer, die sahen, dass ihre sozialistische Ideologie jetzt nutzlos war, setzten fortan auf ungezügeltes Geldverdienen, eine enge Form des Nationalismus und die Unterdrückung freien Denkens. Diese giftige Mischung hat China an den Rand eines Abgrunds gebracht.“
Felix Lee, langjähriger China-Korrespondent der taz und von Zeit-Online, sagt: „Wohlstand statt Freiheit - 30 Jahre nach Tiananmen funktioniert diese Formel immer schlechter. China dürfte schon bald wieder vor einer Zäsur stehen".
Professorin Sandra Heep, Expertin für chinesische Wirtschaft an der Hochschule Bremen, argumentiert: “In den 30 Jahren nach den Tiananmen-Protesten hat China immense wirtschaftliche Erfolge erzielt. Heute aber wachsen mit der zunehmenden politischen Repression auch die wirtschaftlichen Risiken.” Die Panelisten sind sich einig, dass soziale Bewegungen in naher Zukunft unwahrscheinlicher geworden sind. „Es kann aber immer etwas unvorhersehbares geschehen“, gibt Professor Daniel Leese, Sinologe und Historiker an der Universität Freiburg, zu bedenken.