Chinas Aufstieg in der Halbleiterindustrie und Europa
Studie von MERICS und Stiftung Neue Verantwortung e.V.
Lieferschwierigkeiten bei Halbleiter-Chips und die anhaltende technologische Rivalität zwischen den USA und China haben das Thema Halbleiter auch in der EU höher auf die Agenda rücken lassen. Die EU-Kommission will in die Entwicklung eines EU-eigenen Halbleiter-Ökosystems investieren und internationale Partnerschaften in dem Bereich stärken. Bis Frühjahr kommenden Jahres soll der „EU Chips Act“ verabschiedet sein.
China spielt im Halbleiter-Sektor eine zentrale Rolle. Da die Volksrepublik aus europäischer Sicht inzwischen nicht mehr nur als Kooperationspartner, sondern auch als Konkurrent und sogar Systemrivale definiert wird, müssen Abhängigkeiten in diesem Sektor auch aus unter Aspekten der Wettbewerbsfähigkeit, der Stabilisierung von Lieferketten und auch der nationalen Sicherheit betrachtet werden. China verfügt bereits über ein stärkeres Ökosystem für das Chip-Design als Europa. Unter diesen Bedingungen wird Europa zunehmend auf Chips aus China angewiesen sein.
Angesichts dieser Herausforderungen braucht die EU eine Halbleiter-Strategie, die folgende Maßnahmen voranbringen sollte:
1. Investitionen in Chip-Design:
Der Schwerpunkt sollte auf der Verbesserung der Bedingungen für Start-ups, kleine und mittlere Unternehmen und Ausgründungen von Forschungseinrichtungen liegen. Dazu gehören:
- eine Senkung der Eintrittsbarrieren,
- Investitionen in die Infrastruktur,
- Erleichterte Zugänge durch Verringerung von Bürokratie, Erhöhung von Finanzmitteln von privaten und öffentlichen Geldgebern
2. Back-End-Fertigung in Europa stärken
Europa muss seine Position in der sogenannten Back-End-Fertigung (Montage, Prüfung und Verpackung, ATP) stärken. Hiesige politische Entscheidungsträger widmen der Front-End-Produktion (vom Wafer zum Transistor) führender Unternehmen wie Intel, TSMC oder Samsung bereits viel Aufmerksamkeit. Doch die Konzentration der Back-End-Kapazitäten in Asien hat auch Auswirkungen auf die nationale Sicherheit Europas. Darüber hinaus wird dieser Teil der Fertigung wichtiger für die Entwicklung leistungsstarker und energieeffizienter Chips. China hat einen beachtlichen Weltmarktanteil in der Backend-Fertigung, was Europa einer Reihe von Risiken aussetzt.
3. Fähigkeiten zur Bewertung von Halbleiter-Wertschöpfungsketten stärken
Europa muss seine kollektive Fähigkeit stärken, die globale Halbleiter-Wertschöpfungskette kontinuierlich abzubilden und zu bewerten. Europäische Akteure müssen Abhängigkeiten verstehen, Engpässe einschätzen und vorausschauend erkennen, um in dieser hoch komplexen und verflochtenen industriellen Wertschöpfungskette strategisch planen zu können. Die neu eingerichtete „Beobachtungsstelle für kritische Technologien“ (Observatory for Critical Technologies) könnte hier eine zentrale Rolle übernehmen. Ebenso wichtig wäre die Stärkung von Partnerschaften mit gleichgesinnten Partnern, insbesondere mit den USA und ostasiatischen Volkswirtschaften.
Die Studie können Sie hier als PDF herunterladen:
Im Juni ist bereits die erste Studie im Rahmen dieses Forschungsprojekts erschienen. Die Studie finden Sie hier.