Tiananmen-Jahrestag: Nur im Ausland spricht Chinas Führung über die Niederschlagung der Protestbewegung vor 30 Jahren
China Update 10/2019
METRIX
China liefert aktuell 80 Prozent aller weltweit eingesetzten Seltenen Erden und einen noch höheren Prozentsatz an verarbeiteten Formen des begehrten Rohstoffes. Diese Monopolstellung bietet China ein Druckmittel im aktuellen Handelskrieg mit den USA.
Thema der Woche
Tiananmen-Jahrestag: Nur im Ausland spricht Chinas Führung über die Niederschlagung der Protestbewegung vor 30 Jahren
Weltweit wurde diese Woche der Protestbewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Frühsommer 1989 gedacht. Insbesondere in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong widersetzten sich Zehntausende Menschen dem Vergessen. Mit einer Mahnwache und einem Lichtermeer erinnerten sie wie jedes Jahr seit 1990 an die Opfer, die bei der Niederschlagung der Protestbewegung vor dreißig Jahren getötet wurden.
In China dagegen war jede Geste der Erinnerung erwartungsgemäß unterbunden worden. In Beijing stellten Polizeikräfte sicher, dass es im Umfeld des Tiananmen-Platzes nicht zu Demonstrationen oder kleineren Aktionen kam. Der Bürgerrechtler Hu Jia musste die Stadt verlassen. Vertreter der Tiananmen-Mütter, ein loses Netzwerk von Angehörigen der Opfer von damals, berichteten, dass sie tagelang unter Hausarrest standen.
Chinesischsprachige Parteimedien verschwiegen den Jahrestag erneut und widmeten ihre Titelseiten am 4. Juni stattdessen Xi Jinpings Aufruf zur Mülltrennung. Auch die sozialen Medien wurden strengstens kontrolliert: Die Chat-Plattform Bilibili schaltete die Echtzeit-Kommentarfunktion ab, WeChat-User konnten ihre Profile nicht mehr verändern. Andere Chat-Plattformen wie YY oder Douyu zhibo hatten ihren Service wegen „Systemwartung“ von Anfang Juni bis zum 6. Juni ganz gestoppt. Nur vereinzelt fanden sich in den sozialen Medien Hinweise, die als Zeichen der Erinnerung verstanden werden konnten: Fotos von der amerikanischen Freiheitsstatue, Links zu traurigen Musiktiteln („Tears in Heaven“) oder zu Liedern des 1989 sehr bekannten Rocksängers Cui Jian. Manche Nutzer schrieben Sätze wie diesen: „Ich erinnere mich klar, das werde ich nie vergessen“. Interessanterweise führte die Suche nach dem Begriff „Tiananmen“ im chinesischen Internet ausschließlich auf Seiten von parteistaatlichen Medien, die meist über den im Oktober bevorstehenden 70. Jahrestag der Gründung der VR China berichteten.
Selbst auf dem in China gesperrten aber von vielen Chinesen genutzten Mikroblogging-Dienst Twitter war ein Erinnern an den Gedenktag nicht uneingeschränkt möglich. So hatte Twitter wenige Tage vor dem Jahrestag zahlreiche Accounts chinesischer Nutzer abgeschaltet, darunter viele regierungskritische Stimmen. Das US-Unternehmen bezeichnete dies als Versehen.
Gegenüber dem Ausland wollte Beijing die Geschehnisse von vor 30 Jahren aber nicht völlig verschweigen. Die englischsprachige Parteizeitung Global Times, die sich an internationale Leser richtet, bezeichnete die Niederschlagung der Protestbewegung am Montag als „Immunisierung“ der chinesischen Gesellschaft „gegen jeglichen politischen Aufruhr in der Zukunft“.
Ähnlich hatte sich zuvor der chinesische Verteidigungsminister Wei Fenghe beim Shangri-La-Forum in Singapur geäußert. Statt der Frage eines Journalisten wie in der Vergangenheit auszuweichen, wiederholte er die offizielle Parteilinie, wonach es sich bei dem „Zwischenfall“ um „politische Unruhen“ gehandelt habe, die die Zentralregierung mit angemessenen Mitteln beendet habe.
Gegen aktuelle Kritik aus den USA verwahrte sich die chinesische Regierung unterdessen mit scharfen Worten. Die Aufforderung von US-Außenminister Mike Pompeo, endlich bekannt zu geben, wie viele Menschen bei dem Militäreinsatz in Beijing 1989 ums Leben gekommen seien, bezeichnete die chinesische Botschaft in Washington als einen „Affront gegenüber dem chinesischen Volk“.
Zitat von Frank Pieke, Direktor des MERICS: "Aus Sicht der chinesischen Regierung ist der Umgang mit dem Erbe von 1989 ein Erfolg und ein Beispiel dafür, wie sich politische Probleme auflösen, wenn man die Auseinandersetzung mit ihnen unterdrückt. Eine Bewegung nach dem Vorbild der Tiananmen-Proteste könnte es heute nicht mehr geben. Einerseits weil viele Menschen vom Wohlstand und der Stabilität profitieren, die die KPC in den letzten 30 Jahren geschaffen hat. Und andererseits ist die Regierung - auch ohne das im Aufbau begriffene Gesellschaftliche Bonitätssystem - ungleich klüger und besser gerüstet, um mit allen möglichen Formen des Protests umzugehen. Das heißt zwar nicht, dass die Regierung den Ausbruch von Protesten verhindern kann, wohl aber, dass Unruhen schneller eingedämmt und ihre Ausbreitung gestoppt werden können.”
China und die Welt
USA und China streiten um Vormachtstellung im Indopazifik
Mitten im Handelsstreit mit den USA hat China den ranghöchsten Vertreter seit acht Jahren zum Shangri-La-Dialog nach Singapur geschickt. Verteidigungsminister Wei Fenghe nahm an der wichtigsten Sicherheitskonferenz der asiatisch-pazifischen Region teil. Dies war ein deutliches Signal an die USA. Man wolle im Handelskrieg wenn nötig „bis zum Ende kämpfen“, erklärte Wei in seiner Rede am Sonntag. Zugleich kritisierte er den sogenannten US-Taiwan-Relations Act. Dieser erlaubt bestimmte Besuche offizieller US-amerikanischer Vertreter auf Taiwan sowie den Verkauf von Waffen an Taiwan. Die chinesische Regierung betrachtet dies als Einmischung in innere Angelegenheiten.
Während Beijing sein Vorgehen im Südchinesischen Meer auf der Konferenz verteidigte, behaupteten die USA in einem kürzlich veröffentlichtem Bericht, dass die Volksrepublik durch die Aufschüttung von Inseln und verstärkte Aufrüstung eine Vormachtstellung in der Region anstrebe. Die US-Regierung warf China vor, das internationale System zu untergraben und eine revisionistische Politik zu betreiben. Patrick M. Shanahan, der stellvertretende US-Verteidigungsminister, erklärte, Washington wolle mit neuen Netzwerken und asiatischen Partnern darauf reagieren.
“Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt“: Wachsende Spannungen zwischen USA und China
Wieder verging eine Woche mit wachsender Skepsis und scharfer Rhetorik zwischen China und den Vereinigten Staaten. Kurz nach der Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Zölle im Wert von 200 Milliarden USD auf chinesische Exporte zu erheben und mit Huawei ein führendes Technologieunternehmen auf die schwarze Liste zu setzen, reagierte die People’s Daily am 29. Mai mit einem Leitartikel. Darin enthalten der Satz “勿谓言之不预也” - “Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt”. Dieses Zitat hat bereits mehrfach in der chinesischen Geschichte eine Rolle gespielt – immer im Kontext wachsender Spannungen: So war es am Vorabend des chinesisch-indischen Krieges 1962 und vor dem Krieg mit Vietnam 1979 in der Zeitung zu lesen.
Am selben Tag drohten chinesische Medien, Beijing würde den Export von seltenen Erden beschränken, wobei sie auf die Abhängigkeit der USA von diesem Rohstoff verwiesen. Vier Tage später veröffentlichte die chinesische Regierung ein Weißbuch zum Handelskonflikt, das China als Opfer der US-amerikanischen Hegemonie und Schikanen darstellt. Gleichzeitig wird Chinas Öffnung betont und die USA für das Scheitern der bisherigen Gespräche verantwortlich gemacht. Das Papier verdeutlicht, dass China den Forderungen nach einer Veränderung seines wirtschaftlichen Systems keinesfalls nachgeben will.
Fast zeitgleich und offenbar als Reaktion auf die Entscheidung, Huawei auf die „schwarze Liste“ des US-Handelsministeriums zu setzen, kündigte das chinesische Handelsministerium seinerseits eine „schwarze Liste für unzuverlässige Unternehmen“ an. Diese soll Firmen enthalten, die Marktregeln brechen, Interessen chinesischer Firmen verletzen oder Chinas nationale Sicherheit gefährden.
Mittlerweile sind die Spannungen zwischen China und den USA auch in anderen Bereichen spürbar. Die US-Regierung will die Visavergabe für chinesische Wissenschaftler und Studierende beschränken. Chinas Bildungsministerium wiederum reagierte mit einer Warnung für Studierende aus den USA: Visa-Anträge würden in Zukunft länger geprüft und Visa könnten nur noch mit einer kürzeren Laufzeit ausgestellt oder gänzlich abgelehnt werden. Am 3. Juni ging China noch einen Schritt weiter und sprach eine Reisewarnung für Reisen in die USA aus. Die Regierung riet Reisenden zu „verschärfter Vorsicht“. Anlass dazu böten zunehmende Schießereien, Raubüberfälle und Diebstähle in den Vereinigten Staaten. Mit einem gesonderten Hinweis warnt China außerdem vor besonderen Behinderungen bei der Einreise.
Angesichts der sich weiter verschlechternden Beziehungen zwischen China und den USA bleibt unklar, ob das geplante Treffen von Trump und dem chinesischen Präsident Xi Jinping am Rande des G20-Gipfels in Japan stattfinden wird. Selbst wenn es dazu kommen sollte, sind konkrete Ergebnisse in dieser hitzigen Atmosphäre unwahrscheinlich.
Kurz gemeldet
- Neuer Bericht: Europäische Handelskammer in China fordert Marktreformen
- Gelbes Meer: Chinas Marine testet erfolgreich U-Boot-Langstreckenrakete
- Nach Doklam-Krise: Ehemaliger chinesischer Botschafter in Indien wird Vize-Außenminister
- Schuldenverkauf: Portugal gibt als erstes Eurozonen-Land Panda-Anleihen heraus
Innenpolitik, Gesellschaft und Medien
Kommunistische Partei verschärft ideologische Mobilisierung in den eigenen Reihen
Die Kommunistische Partei Chinas (KPC) hat eine neue Kampagne vorgestellt, um die Disziplin in den eigenen Reihen zu stärken. Zuständig für die Kampagne ist die Zentrale Führungsgruppe unter Leitung des Parteitheoretikers und Mitglied des mächtigen Ständigen Ausschusses des Politbüro Wang Huning.
Die Kampagne steht unter dem Motto „Den ursprünglichen Zielen der Kommunistischen Partei treu bleiben und ihre Mission fest im Auge behalten“. Die Inhalte wurden am 31. Mai bei einem Treffen in Beijing offiziell vorgestellt, das Partei- und Staatschef Xi Jinping eröffnete. Neben dem gesamten Politbüro nahmen auch führende Kader von Partei und Regierung auf nationaler und Provinzebene sowie Vertreter von Militär, Massenorganisationen, Staatsunternehmen und Universitäten an dem Treffen teil. Auf Provinz- und Kreisebene wurde die Veranstaltung an verschiedenen Orten live übertragen. Partei, Staat und partei- bzw. staatsnahe Institutionen sowie Organisationen sind bereits dem Aufruf gefolgt und haben in den vergangenen Tagen damit begonnen, Treffen zu organisieren.
Bei der Kampagne handelt es sich um einen landesweiten Vorstoß, die ideologische Kontrolle zu stärken und alle Parteikader dazu zu bewegen, sich intensiv„Xi Jinping-Gedankengut“ zu befassen. Die Kampagne dürfte den politischen Diskurs in den nächsten Monaten maßgeblich prägen. Angesichts des bevorstehenden 70. Jahrestags der Gründung der Volksrepublik unter Herrschaft der KPC verfolgt die KPC das Ziel, parteiinterne Probleme zu lösen, ihre Legitimität zu stärken, damit die Partei in guter Verfassung ist und den Anspruch, weiter zu regieren, überzeugend vertreten kann.
Seit vergangenem Jahr waren verschiedene Regularien eingeführt worden, um die Parteidisziplin und die ideologische Ausbildung zu verbessern. Ende Mai hatte die Parteiführung dann die „Regularien zur Schulung der KPC-Mitglieder“ verabschiedet. Diese verpflichten alle Parteimitglieder, an ideologischen Schulungen teilzunehmen und das Xi Jinping-Gedankengut zu verinnerlichen.
China will Online-Privatsphäre besser schützen
Chinas zentrale Internetbehörde (Cyberspace Administration) hat einen Entwurf für neue Datenschutzrichtlinien veröffentlicht. Diese sollen Netzbetreiber daran hindern, Benutzer zur Angabe persönlicher Daten zu drängen oder zu verleiten. Die Richtlinien sollen mehr Transparenz schaffen und die Betreiber von Webseiten und Apps für die illegale Nutzung persönlicher Daten zur Verantwortung ziehen.
Mit dem rasanten Wachstum der chinesischen Digitalwirtschaft gibt es auch immer mehr Verstöße gegen den Schutz personenbezogener Daten. Es werden nicht nur Kontaktdaten möglicher Konsumenten verkauft, sondern immer häufiger auch hochsensible Informationen wie Bankkontodaten oder Sozialversicherungsnummern.
Dies löst zunehmende Bedenken in der chinesischen Bevölkerung aus. Der Diebstahl von rund fünf Milliarden persönlichen Nutzerinformationen von der Plattform des chinesischen E-commerce Riesen JD.com 2017 sorgte weit über Chinas Grenzen hinaus für Schlagzeilen. Noch im selben Jahr verabschiedete China sein Cybersicherheitsgesetz und fügte im vergangenen Jahr einen Teil hinzu, der sich mit dem Schutz eigener Daten befasst. Auf der diesjährigen Sitzung des Nationalen Volkskongresses drängten Abgeordnete und Berater auf eine noch strengere Gesetzgebung.
China strebt die weltweite Führung in den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI) und Internet der Dinge an. Die neuen Richtlinien sollen verhindern, dass das Sammeln persönlicher Daten mit dem Hinweis auf ein besseres Nutzererlebnis oder gezieltere Werbung gerechtfertigt werden können. Details zu möglichen Sanktionen wurden bisher nicht veröffentlicht.
Kurz gemeldet
- Videobotschaft: Verschwundener chinesischer Student erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörden
- Asyl für Aktivisten aus Hongkong: Deutsches Konsulat distanziert sich von Berliner BAMF-Entscheidung
- Taiwan: Zehntausende gehen für Präsidentschaftskandidatur Han Kuo-yus auf die Straße
Wirtschaft, Finanzen und Technologie
Chinesische Regierung übernimmt die Baoshang Bank
Zum ersten Mal seit 20 Jahren hat die chinesische Regierung eine Privatbank übernommen. Seit dem 24. Mai kontrollieren die Chinesische Zentralbank (PBOC) sowie die Regulierungsbehörde für Banken- und Versicherungen die private Baoshang Bank Co. mit Hauptsitz in der Inneren Mongolei.
Die Zentralbank erklärte umgehend, dass die Übernahme wegen der Veruntreuung von Fonds notwendig war – es sich dabei jedoch um einen Einzelfall gehandelt habe. Gläubiger, die mehr als 50 Mio. CNY (umgerechnet 6,4 Mio. EUR) angelegt haben, werden bis zu 90 Prozent entschädigt. Die Tomorrow Group, die 89 Prozent der Anteile der Bank hält, wird nun überprüft.
Entgegen der Aussage der Zentralbank dürfte das Problem deutlich größer sein. Zweifel am Zustand des chinesischen Bankensystems waren von Beobachtern wiederholt geäußert worden. Insbesondere die Skepsis gegenüber offiziellen Zahlen zum Verhältnis von notleitenden Krediten (NPL) und allen ausstehenden Forderungen ist groß.
Die NPL-Quote der Baoshang Bank soll 2016 bei nur 1,68 Prozent gelegen haben. Das wäre gemessen an EU-Standards sehr gering, wo die durchschnittliche NPL-Ratio bei 3,8 Prozent liegt. Die Sorge vieler Beobachter ist, dass die ebenfalls sehr geringe Gesamt-NPL-Ratio für China, die Ende März bei 1,8 Prozent lag (siehe Abbildung), nicht dem tatsächlichen Anteil notleitender Kredite entspricht.
Die Übernahme der Baoshang Bank scheint Teil des offiziellen Vorgehens gegen die Kreditvergabepraxis chinesischer Banken zu sein. In einem anderen Fall, dem der Bank of Jinzhou, hatten Wirtschaftsprüfer kürzlich ihr Mandat niedergelegt, nachdem sie Inkonsistenzen in den Unterlagen festgestellt hatten. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Regierung zwei Signale an den Markt senden will: Erstens, dass Fehlverhalten nicht länger toleriert wird, und zweitens, dass entgegen der verbreiteten Annahme Verluste von der Regierung nicht vollständig getragen werden.
Der europäische Blick
Deutschlands Verhältnis zu China wandelt sich
Verschiedene Signale deuten darauf hin, dass sich Deutschlands Haltung gegenüber China verändert: Bei der Eröffnung des „D-10 Strategy Forum“, einem Kreis, in dem Experten und führende Vertreter aus Großbritannien, den USA, Japan, Südkorea, Frankreich, Deutschland, Italien und weiteren demokratischen Ländern gemeinsam beraten, warnte der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Andreas Michaelis, vor Chinas dominanter Außenpolitik sowie seiner militärischen und geo-ökonomischen Expansion. Gleichzeitig bestätigte Michaelis, dass Deutschland beabsichtige, Vertreter aller EU-Mitgliedstaaten zu einem EU-China-Gipfel einzuladen, der 2020 unter deutscher EU-Präsidentschaft stattfinden wird. Darüber hinaus solle weiter an einer europäischen Industriestrategie und einer Revision des Wettbewerbsrechts gearbeitet werden. Wiederholt hatte die Bundesregierung sich zuletzt dafür ausgesprochen, dass die EU-Staaten sich in ihrem Umgang mit China stärker koordinieren müssten.
Auch die Tatsache, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zwei Hongkonger Aktivisten vergangenes Jahr Flüchtlingsstatus zugesagt hatte, was die Bundesregierung erst kürzlich bekannt gab, ist ein Novum. Es handelt sich um den ersten dokumentierten Fall, in dem eine ausländische Regierung einem von China regierten Territorium Asyl angeboten hat und das international entsprechend für Aufsehen sorgte. Für Irritationen auf deutscher Seite dürfte das Verhalten von drei vermeintlichen Reportern der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua am Rande eines Besuchs von Bundeskanzlerin Merkel am NATO-Standort Münster gesorgt haben. So geht die Bundeswehr gerade Hinweisen nach, dass es sich um Agenten handle, die im Zuge von Filmaufnahmen und Interviews mit Soldaten geheime Informationen für die chinesische Regierung sammelten.
Ob dies Gegenstand der Gespräche bei dem Besuch von Chinas Vizepräsident Wang Qishan am vergangenen Freitag in Berlin war, der neben Bundeskanzlerin Merkel auch Bundespräsident Steinmeier und Außenminister Maas traf, ist nicht bekannt. Offiziell stand der gemeinsame Einsatz für den Multilateralismus auf der Agenda. China warb um Deutschlands Unterstützung bei der Wahrung einer multilateralen Weltordnung. Die wachsende Rivalität und der anhaltende Handelskrieg zwischen China und den USA dürften die Notwendigkeit dieses Austauschs befeuert haben.
Im Profil
Liu Xin – das Fernsehgesicht zum Handelskrieg
Die 43jährige Fernsehmoderatorin ist zum Gesicht des Meinungskriegs zwischen China und den USA geworden. Nachdem Liu Xin in ihrer Sendung „The Point“ die Fox News-Moderatorin Trish Regan für deren „emotionale“ und „wenig substanzielle“ Berichterstattung über den Handelskrieg zwischen beiden Ländern kritisiert hatte, lud Regan sie in ihre Sendung ein. Vergangene Woche war es soweit. Liu Xin nutzte die Gelegenheit, um Chinas Positionen vor einem breiten amerikanischen Fernsehpublikum zu wiederholen.
Zwar durfte die 17-minütige Debatte aus rechtlichen Gründen nicht in China übertragen werden. Die Live-Berichterstattung des chinesischen Staatsfernsehens CCTV verfolgten jedoch trotz der ungewöhnlichen Sendezeit am Donnerstagmorgen rund eine Viertelmillion Menschen. Nachdem die beiden Frauen sich zuvor tagelang auf Twitter einen Schlagabtausch geliefert hatten, verlief die Fernsehdebatte aus Sicht vieler Beobachter allerdings eher enttäuschend. Medien bezeichneten das Gespräch über Handels- und Technologiefragen als „höflich, langweilig und herablassend“. Chinas staatliches Auslandsfernsehen CGTN veröffentlichte auf seiner Webseite zahlreiche Kommentare, die Liu Xin als Siegerin beglückwünschten. CCTV wertete die Debatte sogar als Modell für die Handelsgespräche zwischen China und den USA.
Spannend wurde es, als Regan fragte, wie Liu Xin das chinesische Wirtschaftssystem beschreiben würde, nachdem sie selbst zuvor von einem „staatlich gelenkten Kapitalismus“ gesprochen hatte. Die chinesische Moderatorin musste sich offensichtlich kurz sammeln, bevor sie dann erwartbare Floskeln wie „Sozialismus mit chinesischer Prägung“ nutzte. Sehr viel entschiedener reagierte sie, als sie von ihrer Herausforderin als Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas vorgestellt wurde. Umgehend verneinte sie dies, was viele Beobachter überraschte. Liu ist seit acht Jahren in prominenten Positionen für das chinesische Staatsfernsehen CCTV tätig. Mit Gründung des Auslandssenders CGTN vor knapp drei Jahren war sie von ihrem Korrespondentenposten in Genf zurückgekehrt und hatte ihre eigene Sendung übernommen. Vielleicht ist dort bald FOX News-Moderatorin Regan zu Gast. Liu Xin lud sie ein und versprach, sie in ihrer Heimat herumzuführen.