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Bundeskanzlerin Merkel reist nach China

Vom 5. bis 7. September besucht Bundeskanzlerin Angela Merkel zum 12. Mal in ihrer Amtszeit China. Sie wird dort u.a. zu Gesprächen mit dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang zusammentreffen. Angesichts der anhaltenden Proteste in Hongkong und dem Handelsstreit zwischen China und den USA fällt die Reise in eine für Beijing äußerst angespannte Zeit. Und auch zwischen Deutschland und China sind Misstöne zu vernehmen. Wie ordnet sich der Besuch in diesen Kontext ein? 

Fragen an Mikko Huotari, stellvertretender Direktor des Mercator Instituts für China-Studien (MERICS).

Angela Merkel tritt diese Woche ihre zwölfte China-Reise als Bundeskanzlerin an. Handelt es sich um einen Routinebesuch?

Oberflächlich betrachtet handelt es sich um einen Routinebesuch, an dem beiden Seiten sehr gelegen ist und der für die deutsch-chinesischen Beziehungen äußerst wichtig ist. Es kann aber keine einfache Routine sein, denn die Bundeskanzlerin reist in ein - politisch und wirtschaftlich – an vielen Fronten extrem gefordertes China. Der Handelsstreit mit den USA und die Lage in Hongkong sind zuletzt weiter eskaliert. Insofern steht der Besuch in einem besonderen Kontext. Die Bundeskanzlerin wird vermutlich bemüht sein, Kontinuität in den Beziehungen zu signalisieren – auch in diesem schwierigen Fahrwasser.

Seit dem letzten Besuch Merkels in China im Mai 2018 ist viel passiert. Wie gut sind die deutsch-chinesischen Beziehungen heute?

Das deutsch-chinesische Verhältnis ist weiterhin außergewöhnlich, gerade auch im europäischen Vergleich. Aber es ist zugleich auch komplizierter geworden. Die Sicht auf China in deutschen politischen Kreisen ist kritischer als zuvor, und China merkt, wie schwierig es ist, Deutschland dafür zu gewinnen, sich auch in schwierigen politischen Fragen auf Chinas Seite zu stellen. Auch sonst ist Sand im Getriebe: So beschwerte sich beispielsweise die chinesische Botschaft im November über eine Debatte im deutschen Bundestag zur Situation in der autonomen Region Xinjiang. Huaweis Rolle beim Ausbau der europäischen 5G-Infrastruktur bleibt ein Politikum. Kürzlich wurde die Reise des deutschen Digitalausschusses abgesagt, weil China einer Abgeordneten die Einreise verweigert hatte. Und auch das Beispiel Hongkong zeigt, dass Konflikte, die unterschwellig schon immer unser Verhältnis mitgeprägt haben – gerade hinsichtlich unserer unterschiedlichen Wertevorstellungen - jetzt immer häufiger zu Tage treten, weil China für uns wichtiger geworden ist.
 

Mikko Huotari zu Merkels China-Reise

Sollte Angela Merkel die Lage in Hongkong deutlicher als bislang ansprechen?

Wir sollten der europäischen Linie folgen: Es muss darum gehen, zu deeskalieren und Forderungen der Protestierenden in einem politischen Prozess aufzugreifen. Dafür sollte die Kanzlerin sich zum jetzigen Zeitpunkt gemeinsam mit europäischen und anderen Partnern mit Nachdruck einsetzen. Schwierig wird es, sollte die Führung in den nächsten Tagen oder Wochen noch härter gegen die Protestierenden vorgehen lassen. Denn dann würde endgültig klar, dass solche Fragen nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden können. Wenn China die Grundfreiheiten und weitgehende Autonomie in Hongkong nicht wahrt, dann bedeutet dies auch, dass China kein verlässlicher Partner ist. Für die konkrete Reise der Kanzlerin hieße das – im Eskalationsszenario –, dass bestimmte Termine auf der Reise nicht stattfinden können – und im Ernstfall sollte der gesamte Besuch in Frage gestellt werden.

Die Bundeskanzlerin wird von einer hochrangig besetzten Wirtschaftsdelegation begleitet. Deutsche Unternehmen erhoffen sich neue Geschäftschancen und eine weitere Öffnung des chinesischen Marktes. Sind diese Hoffnungen berechtigt?

Es gibt Anzeichen einer Öffnung in bestimmten Sektoren. Bewegung gibt es beispielsweise im Finanzmarkt, aber auch im Automobilsektor und in der Energiewirtschaft. Die Chancen, die in diesen Bereichen entstehen, sollten ausgetestet werden. Die Frage ist aber, inwieweit wir uns von einzelnen genehmigten Großprojekten blenden und ablenken lassen von der eigentlich viel größeren Frage eines bilateralen Investitionsabkommens und von den langfristigen Schwierigkeiten, die durch Chinas staatszentrierte Wirtschaft entstehen.

Im kommenden Jahr, wenn Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft innehat, will die Bundeskanzlerin zu einem EU-China-Sondergipfel einladen, an dem erstmals alle EU-Staaten teilnehmen sollen. Reist Merkel auch als Vertreterin einer neuen EU-China-Politik nach Beijing?

Paris und Brüssel werden diesen Besuch sehr genau verfolgen. Die entscheidende Frage ist, ob Merkel dabei hinter die neue europäische Positionierung zurückfällt, die Berlin wesentlich mitgeprägt hat. Stehen bei dem Besuch deutsche Interessen im Vordergrund oder wird man dem Anspruch gerecht, eine gemeinsame europäische China-Politik zu verfolgen, darum geht es.

Für wie aussichtsreich halten Sie eine gemeinsame europäische China-Politik?

Es gibt den Wunsch, in diese Richtung zu gehen. Aber noch ist die Politik sehr fragil. Viel hängt davon ab, wie sich die neue EU-Kommission aufstellt, wie sich die Bundesregierung verhält und auch davon, wie Staaten wie Italien, die in der Vergangenheit eine unterstützende Kraft zugunsten einer gemeinsamen europäischen China-Politik waren, künftig agieren. Aber die Erkenntnis und die Notwendigkeit sind gewachsen, sich gemeinsam zu positionieren.

Wie wichtig ist Merkels Besuch für China – gerade auch angesichts der aktuellen Krisen?

Für Beijing ist es zentral, dass China in und mit Europa einen Partner hat, der sich – im Gegensatz zu den USA – nicht von China entkoppelt und zumindest offiziell und rhetorisch dafür einsetzt, dass man gemeinsam für Multilateralismus einsteht. Gleichzeitig soll Deutschland weiterhin als Innovationspartner helfen, die Modernisierung der chinesischen Wirtschaft voranzutreiben. Merkels Besuch ist aus der Sicht Beijings also nicht nur für die Optik durchaus von großer Bedeutung.

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